Kindersicherung: Ein Gutteil ist wirkungslos

neue verpackung 09-2008

Kinder- und seniorengerechte Verpackungen sind sein Anliegen.
Dr. Rolf Abelmann, Geschäftsführer bei ivm-childsafe, stellt fest:
Es gibt Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.

neue verpackung: durch etliche Fernsehbeiträge wurde das Thema Kindersicherheit und Verpackung erneut aktualisiert. Wie beurteilen Sie über den Stand der Technik hinweg die Umsetzung in den einzelnen Produktkategorien wie Haushaltschemikalien oder Pharma?

Dr. Rolf Abelmann: Bedauerlicher Weise gibt es neben einer Mehrheit von verantwortungsvoll handelnden Unternehmen die für gefährliche Produkte oder Arzneimittel uneingeschränkt zertifizierte kindergesicherte Verpackungen einsetzten, auch eine Vielzahl von Fällen, in denen das Thema Kindersicherheit – bewusst oder unbewusst – vernachlässigt wird. Häufig führen dabei Unwissenheit und falsche Vorstellung der Verantwortlichen zu Verpackungslösungen, die in der Praxis keinen wirksamen Schutz gegen die Öffnung durch Kleinkinder bieten. Auf diese Weise wird die Gesundheit von Kleinkindern gefährdet, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden kann.

neue verpackung: Reichen die gesetzlichen Vorschriften aus, die EU-weit und bundesrechtlich das Thema regeln, oder besteht weiterer Handlungsbedarf?

Dr. Rolf Abelmann: Im Hinblick auf die vorhandene Gesetzgebung zeichnet sich ein relativ uneinheitliches Bild, da unterschiedliche Produktgruppen von denen eine Gefahr für Kleinkinder bei Missbrauch ausgeht, gesetzgeberisch leider unterschiedlich behandelt werden. Wenn man die Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern berücksichtigt erkennt man allerding einen klaren Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.Hier wäre eine Orientierung an den Bestimmungen in den USA empfehlenswert, in denen ein Großteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel kindergesichert verpackt werden müssen.
Ein anderes Thema bei gesetzlichen Bestimmungen ist allerding deren Einhaltung und Überwachung durch die Behörden. Gerade hier ist die Situation in Deutschland beunruhigend. Die aktuellen Anforderungen aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist davon auszugehen, dass ein bedeutender Anteil der in Deutschland eingesetzten kindergesicherten Verpackungen für pharmazeutische Produkte praktisch wirkungslos ist. Aber auch im Gefahrstoffrecht wäre eine Anpassung wünschenswert, da verschiedene Stoffgruppen, von denen durchaus eine Gefahr für Kinder besteht, immer noch ungesichert in Verkehr gelangen.

neue verpackung: Vermeintliche kindersichere Lösungen zeigen in der Praxis immer wieder, dass Kinder durchaus Zugang zum Produkt finden. Wie sicher ist kindersicher?

Dr. Rolf Abelmann: Leider wird häufig davon ausgegangen, dass bestimmte Verpackungskomponeten, wie z. B. Verschlüsse oder Folien für Blisterverpackungen per se kindergesichert wären. Dies ist nicht der Fall. Um die kindergesicherte Funktion einer Verpackung sicherzustellen muss die vollständige Verpackung, in bestimmten Fällen auch der Inhalt, berücksichtigt werden. Als kindergesichert können nur solche Verpackungen zu Recht bezeichnet werden, die entsprechend den bestehenden internationalen Normen geprüft und durch ein unabhängiges akkreditiertes Institut zertifiziert worden sind.