Die Quadratur des Kreises

Austropack 04-2011

Die Handhabung von Verpackungen ist bei keinen beiden anderen Personengruppen ein so wichtiges Thema wie bei Kindern und Senioren. Dr. Horst Antonischki vom ivm beschäftigt sich mit diesem generationenübergreifenden Thema.

Dr. Antonischki, eine Verpackung soll zugleich kindersicher aber auch seniorenfreundlich sein. Wie findet man da einen Konsens?

„ Das ist die sprichwörtliche Quadratur des Kreises. Es ist zwar einfach, eine Verpackung so zu konstruieren, dass sie ein kleines Kind nicht öffnen kann. Meist können es ältere Menschen dann aber auch nicht. Damit wäre das Ziel verfehlt, denn die Voraussetzung für ein Zertifizierung nach den gängigen Normen für kindergesicherte Verpackungen sind beide Aspekte: Kindersicherheit sowie Erwachsenenfreundlichkeit. „Design for all“ muss die Lösung lauten. Kleine Kinder sind kognitiv noch nicht in der Lage, zwei koordinierte Bewegungen auszuführen. Dennoch verfügen sie oft über erstaunlich viel Kraft, die es nicht zu unterschätzen gilt. Senioren hingegen sind meist kognitiv durchaus in der Lage, Öffnungsprinzipen zu erfassen. Es fällt ihnen jedoch schwer, die nötige Kraft aufzubringen. Ebenso lassen Feinmotorik und Feingefühl der Finger nach und Lese- sowie Farberkennungsfähigkeiten werden geringer. Die Lösung besteht deshalb in Verschließsystemen, die mit wenig Kraftaufwand aber viel „Trick“ zu überwinden sind.

Wie gehen Verpackungshersteller mit diesem Thema um?

„Obwohl dieser „Trick“ zahlreiche Möglichkeiten eröffnet, finden sich auf dem europäischen Markt hauptsächlich die Standardlösungen: Hinunterdrücken und Drehen sowie seitliches Drücken und Drehen. Anders als in den USA wird hierzulande zuerst der mit kindergesicherten Verpackungen einhergehende Aufwand gesehen. Die Chance zur Differenzierung und die Profilierungsmöglichkeiten beim Endkunden scheinen außer Acht gelassen zu werden.
 

Wie kindersicher sind Arzneimittel-Verpackungen wirklich?

Pack Report 10-2009

Zertifizierung sorgt für hohe Sicherheit

Nach Expertenmeinung vergiften sich in Deutschland im Haushalt jedes Jahr über 90.000 Kinder – vor allem Kleinkinder unter fünf Jahren. Viele von ihnen an Medikamenten. Was können Pharma- und Verpackungsindustrie tun, um diese Unfälle zu vermeiden? Die Lösung: Verpackungen entwickeln, die wirklich sicher sind – und dies auch mit einem Zertifikat belegen.

Auch wenn Eltern noch so sehr aufpassen, einige Gefahrenquellen lassen sich trotzdem nicht vollkommen ausschließen: Ein neugieriger Blick in die Einkaufstasche, ein schneller Griff – und schon verschwindet die Tablettenverpackung in geschickten Kinderhänden. Obwohl Medikamente immer gut „versteckt“ oder in abgeschlossenen oder für Kinder schwer zugänglichen Schränken aufbewahrt werden sollten – diese Vorsichtsmaßnahmen allein reichen nicht aus. Denn die Gefahren lauern häufig auch außerhalb der eigenen vier Wände: Die offene Medikamentenverpackung bei den Großeltern, die Hustensaftflasche bei Freunden. Erst im Juni mussten 22 Kinder eines Kindergartens ins Krankenhaus, weil sie von den schönen bunten Pillen aus der hübschen Schachtel „genascht“ hatten, die ein Gast in der Garderobe aus seinem Mantel verloren hatte. Wäre es für Eltern da nicht ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass Pharma- und Verpackungsindustrie alles daran setzen, ihren Kindern das Öffnen von Verpackungen so schwer wie möglich zu machen? Egal, um welche Medikamente es sich handelt? Jedoch können nur geprüfte und zertifizierte Verpackungen diese hohe Sicherheit garantieren. Diesen Nachweis erbringen so genannte Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen: Das 1975 gegründete ivm Institut VerpackungsMarktforschung GmbH (www.ivm-childsafe.de) ist heute europaweit eines von nur wenigen akkreditierten Instituten. Das Braunschweiger Unternehmen sorgt mit einem hohen Qualitätsstandard dafür, dass geprüfte Kindersicherungen weltweit akzeptiert werden. Zu den Kunden des Institutes zählen mittlerweile weltbekannte Unternehmen wie Bayer, Novartis, Ratiopharm, Boehringer-Ingelheim, Pfizer und viele mehr.

Um vom ivm–Institut nach der entsprechenden Norm zertifiziert zu werden, bedarf es einer Reihe von Tests. Damit die Ergebnisse so aussagekräftig wie möglich ausfallen, arbeitet das ivm beispielsweise regelmäßig mit Kindergärten zusammen. Hier überprüfen die Kleinen selbst, ob die kindergesicherten Verpackungen auch wirklich halten, was sie versprechen. Für einen dieser Tests versuchen Kleinkinder im Alter zwischen 42 und 51 Monaten fünf Minuten lang eine wiederverschließbare Verpackung zu öffnen – ohne, dass es ihnen vorher gezeigt oder erklärt wurde. Dabei überraschen die Mädchen und Jungen mit ungeahntem manuellen Geschick. Scheitern sie, bekommen sie den Öffnungsvorgang demonstriert. Dann dürfen sie es noch einmal fünf Minuten lang ausprobieren. Eine Packung gilt dann als kindergesichert, wenn es mindestens 80 Prozent einer Gruppe von bis zu 200 Kindern in zehn Minuten nicht gelingt, eine Packung zu öffnen oder an den Inhalt zu kommen. Kinder sind pfiffig und lernen schnell. Aus diesem Grund darf ein Kind an nicht mehr als zwei Prüfungen im Jahr teilnehmen. Zwischen den Tests muss außerdem mindestens eine Woche liegen.
Da Kinder unterschiedlich große Packungen auch unterschiedlich handhaben, ist ein guter Verschluss auf einer Flasche mit 100 ml noch lange kein Garant für Kindersicherheit bei einem Behälter mit 1000 ml. Da sie die kleine Flasche besser halten können als die große, haben sie mehr Kraft für den Verschluss – und schon ist er offen. Daher müssen bei einer Verpackungsfamilie sowohl der kleinste als auch der größte Behälter geprüft werden; die Zwischengrößen geltend dann als mitzertifiziert.

Aktuelle Entwicklung

Gemeinsam mit der Verpackungsindustrie konzipieren Pharmaunternehmen seit einiger Zeit Arzneimittelverpackungen, die Kinder – im Bestfall – nicht öffnen können. Sehr häufig werden beispielsweise Verschlüsse, z.B. für Hustensaft, eingesetzt, die nur durch gleichzeitiges Drücken und Drehen zu öffnen sind. Für Kinder ist dies schwer zu verstehen, außerdem fehlt ihnen die dazu nötige Koordinationsfähigkeit. Aber auch viele andere Systeme werden erfolgreich eingesetzt wie beispielsweise: Blister im Peel-, im Push- oder im Peel-Push-Verfahren. Interessanterweise öffnen Kinder Blisterpackungen sehr oft anders als Erwachsene: Während Erwachsene die Pillen zunächst herausdrücken wollen, versuchen Kleinkinder überwiegend durch „kratzen“ oder „pulen“ die Deckfolie zu entfernen. Daher bieten mehrschichtige Folien eine höhere Sicherheit, bei denen zunächst die oberste, schwer zu durchdringende Folie abgezogen wird, um dann die Pille durch die dünne Unterfolie, die allerdings auch mehrschichtig sein kann, herausdrücken zu können. Während eine normale Durchdrückfolie aus Aluminium nur eine Stärke von 20 µm auffweisen und mit Heißsiegellack beschichtet ist, sind Folien für kindergesicherte Blisterverpackungen deutlich aufwendiger und haben oft eine ergänzende PVC-Folie auf der Innenseite und halten so auch größeren Belastungen stand. Beim Dial-Blister kann die Kapsel erst dann herausgedrückt werden, wenn der Blister in die richtige Position gedreht wurde. Beim so genannten Slide-Blister ist der Blister auf der Oberseite einer Pappkarte fixiert. Auf der Rückseite befindet sich zwischen Blister und Papprückwand eine bewegliche Plastikscheibe. In der Grundposition der Plastikscheibe ist diese gegen den Blister verschoben und verhindert so das Herausdrücken.

Mit der richtigen Wahl der Folie ist schon der erste Schritt in Richtung Kindersicherheit getan. Von diesem ersten Schritte bis zu einer Verpackung, die auch als geprüft und kindergesichert zertifiziert werden kann, ist der Weg jedoch noch weit. Dr. Rolf Abelmann, ivm: „Um das Ziel der Kindersicherheit problemlos zu erreichen, ist es wichtig – sowohl auf Seiten der Verpackungshersteller als auch bei Abfüllern und Pharmaunternehmen – bereits in der Planungsphase mit Zertifizierungs-Experten zusammenzuarbeiten“. Das sei auch weniger aufwändig, als wenn eine Verpackung bereits fertig entwickelt wurde – um hinterher festzustellen, dass sie gewissen Ansprüchen nicht genügt. Eine spätere Anpassung kann häufig zu einer kostenintensiven Angelegenheit werden.

Sichere Lösungen verfügbar

Wer allerdings der Meinung ist, eine Blisterverpackung ist wegen des Einsatzes bestimmter Folien per se sicher, der liegt falsch. Es ist denkbar, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie kindersicher ist; kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch nicht. Daher gibt es auch keine grundsätzlich kindergesicherte oder zertifizierte Deckfolie. Die sichere Funktion einer Blisterverpackung entsteht erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren wie Material, Festigkeit, Flexibilität etc. Insbesondere bei dieser Art der Verpackung ist in Zukunft mit einem noch höheren Sicherheitsniveau zu rechnen, d.h. der Trend geht teilweise hin zu noch komplexeren Öffnungsmechanismen als bei Peel-Push-Blistern.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Lösungen für kindergesicherte Pharmaverpackungen wie Verschlussstopfen für Röhrenverpackungen, die brieftaschenartige Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Ein großer Faltschachtelhersteller hat eine Schachtel entwickeln, die durch einen Trickverschluss besonders kindersicher ist: Die Faltschachtel öffnet sich nur dann, wenn zwei dunkelblau gekennzeichnete Punkte gleichzeitig gedrückt werden. Die Kindersicherung ist damit bereits bei der Umverpackung gegeben.

Andere Länder, andere Regeln

In Deutschland müssen Arzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen, die für Kinder gefährlich werden können, nach Paragraph 28 Arzneimittelgesetz kindersicher verpackt werden. Dr. Rolf Abelmann: „Allerdings wäre eine Orientierung unserer Bestimmungen an denen der USA wünschenswert. Denn die aktuellen Anordnungen bei uns aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Leider sind noch zu viele Verpackungen nicht geprüft und zertifiziert – und damit nicht kindergesichert“.
Im Vergleich dazu ist dies in den USA nahezu bei allen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Fall. Ein anschauliches Beispiel für unterschiedliche Bestimmungen und Normen zwischen USA/Deutschland liefert die Blisterverpackung: So gilt sie in Deutschland als kindersicher, wenn es den Kleinkindern nicht gelingt, nacheinander mehr als acht Kapseln herauszunehmen. Die Statistiken zeigen jedoch, dass auch weniger als acht Tabletten ausreichen, um Kinder ernsthaft krank werden zu lassen. In den USA beschäftigt man sich bereits seit vielen Jahrzehnten mit dieser Thematik. Schon 1970 wurde dort die »Poisons Prevention Packaging Act« (PPPA), das Gesetz zur Verhinderung von Vergiftungen durch Verpackung, eingeführt. Basis dafür war eine Studie, die belegte, dass durch das Prinzip „Drücken und Drehen“ die Zahl der Vergiftungen von 183 auf 24 gesenkt werden konnte. Statistiken seit Anfang der 70er Jahre belegen einen Rückgang der Todesfälle durch Vergiftungen in den USA um mehr als 80 Prozent. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Verbraucherschutzmaßnahmen mittlerweile etwa 1.000 Kleinkindern das Leben gerettet haben.

Für international tätige Unternehmen bedeuten diese von Land zu Land unterschiedlichen Gesetze und Normen gewisse Orientierungsschwierigkeiten. Hier stellt sich die Frage, wie sie den spezifischen Anforderungen einzelner Länder gerecht werden können. Da die meisten Hersteller von pharmazeutischen Produkten mit der Zunahme der Globalisierung auch den US-amerikanischen Markt im Auge haben, ist hier jedoch eine Verbesserung in Sicht.

Fazit: Sehr viele Arzneimittel sind für Kleinkinder so gefährlich, dass eine kindergesicherte Verpackung erforderlich ist. Die mangelnde Kennzeichnung zertifizierter Verpackungen kann zu gefährlichen Situationen führen. Denn auch die bereits erwähnten Drück-/Drehverschlüsse sind nur dann wirklich sicher, wenn sie von einem neutralen Institut geprüft und zertifiziert sind; alles andere sind „Mogelpackungen“.
Um Pharmaverpackungen für Blinde und Sehbehinderte sicher zu machen, wurde eigens ein Gesetz ins Leben gerufen, nach dem die Pharma-Verpackungen mit der so genannten Braille-Schrift versehen werden müssen. Neues Beispiel: Das Logo „Ohne Gentechnik“, das auf Lebensmittel-Verpackungen angebracht werden soll. Ist es da nicht naheliegend, Verpackungen wirklich gefährlicher Produkte mit der Zertifizierung „kindergesichert“ zu versehen? Damit die Eltern auf einen Blick erkennen können: Diese Verpackung ist nicht nur „theoretisch“ kindersicher!

Hier die wichtigsten Normen auf einen Blick:

ISO 8317 für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen

DIN EN 862 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für nicht pharmazeutische Produkte

DIN EN 14375 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte

Diese Normen sind nahezu – mit Ausnahme der USA – weltweit anerkannt
Im Vergleich dazu in den USA: US 16 CFR § 1700.20, unabhängig von der Art der zu verpackenden Produkte (pharmazeutisch oder nicht pharmazeutisch) und des Verschlusssystems (wiederverschließbar oder nicht wieder verschließbar)

DIN EN 45011 für Zertifizierungsstellen: Institute die kindergesicherte Verpackungen prüfen und zertifizieren müssen dieser Norm entsprechen.

 

Vorbeugen ist besser als heilen

neue verpackung 10-2009

Nicht jede kindergesicherte Pharma-Verpackung ist auch das, was sie verspricht: Nämlich nicht von Kinderhand zu öffnen. Aber wann können sich Eltern darauf verlassen, dass die geschickten kleinen Hände ihrer Kinder tatsächlich nicht an den gefährlichen Inhalt der Verpackung kommen? Und wann ist eine angeblich kindergesicherte Verpackung nur eine „Mogelpackung“?

Nach Expertenmeinung vergiften sich in Deutschland im Haushalt jedes Jahr über 90.000 Kinder – vor allem Kleinkinder unter fünf Jahren. Viele von ihnen an Medikamenten, denn für Kinder sehen Dragees aus wie bunte Bonbons. Und da sie gerade in der ersten Zeit ihres Lebens ihre Umwelt durch Lutschen und Kauen entdecken und vieles in den Mund stecken, kommt es schnell zu gefährlichen Situationen mit traumatischen und dramatischen Folgen. Obwohl Medikamente immer gut „versteckt“ oder in abgeschlossenen oder für Kinder schwer zugänglichen Schränken aufbewahrt werden sollten – diese Vorsichtsmaßnahmen allein reichen nicht aus. Denn die Gefahren lauern häufig auch außerhalb der eigenen vier Wände: Die offene Medikamentenverpackung bei den Großeltern, die Hustensaftflasche bei Freunden.

Was können Pharma- und Verpackungsindustrie also tun, um diese Unfälle zu vermeiden? Die Lösung: Verpackungen entwickeln, die wirklich sicher sind – und dies auch mit einem Zertifikat belegen, denn nur geprüfte und zertifizierte Verpackungen können eine hohe Sicherheit garantieren. Diesen Nachweis erbringen so genannte Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen. Das 1975 gegründete ivm Institut VerpackungsMarktforschung GmbH (www.ivm-childsafe.de) ist europaweit eines der wenigen akkreditierten Institute. Das Braunschweiger Unternehmen sorgt mit einem hohen Qualitätsstandard dafür, dass geprüfte Kindersicherungen weltweit akzeptiert werden. Zu den Kunden des Institutes zählen mittlerweile weltbekannte Unternehmen wie Bayer, Novartis, Ratiopharm, Boehringer-Ingelheim, Pfizer und viele mehr.

Aber welche Medikamente müssen eigentlich kindergesichert verpackt werden? Welches sind überhaupt geeignete kindergesicherte Verpackungen? Welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Welche Normen gelten in Deutschland und in anderen Ländern?
In Deutschland müssen Arzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen, die für Kinder gefährlich werden können, nach Paragraph 28 Arzneimittelgesetz kindersicher verpackt werden. Im Vergleich dazu ist dies in den USA nahezu bei allen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Fall. Dr. Rolf Abelmann, ivm: „Allerdings wäre eine Orientierung unserer Bestimmungen an denen der USA wünschenswert. Denn die aktuellen Anordnungen bei uns aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Leider sind noch zu viele Verpackungen nicht geprüft und zertifiziert – und damit nicht kindergesichert“.

Innovative Verschlüsse machen es Kinderhänden schwer

Gemeinsam mit der Verpackungsindustrie entwickeln Pharmaunternehmen seit einiger Zeit Arzneimittelverpackungen, die Kinder – im Idealfall – nicht öffnen können. Sehr häufig werden beispielsweise Verschlüsse, z.B. für Hustensaft, eingesetzt, die nur durch gleichzeitiges Drücken und Drehen zu öffnen sind. Für Kinder ist dies schwer zu verstehen, außerdem fehlt ihnen die dazu nötige Koordinationsfähigkeit. Aber auch viele andere Systeme werden erfolgreich eingesetzt, wie beispielsweise Blister im Peel-, im Push- oder im Peel-Push-Verfahren. Interessanterweise öffnen Kinder Blisterpackungen sehr oft anders als Erwachsene: Während Erwachsene die Pillen zunächst herausdrücken wollen, versuchen Kleinkinder überwiegend durch „kratzen“ oder „pulen“ die Deckfolie zu entfernen. Daher bieten mehrschichtige Folien eine höhere Sicherheit, bei denen zunächst die oberste, schwer zu durchdringende Folie abgezogen wird, um dann die Pille durch die dünne Unterfolie, die allerdings auch mehrschichtig sein kann, herausdrücken zu können. Während eine normale Durchdrückfolie aus Aluminium nur 20 µm dick und mit Heißsiegellack beschichtet ist, sind Folien für kindergesicherte Blister aufwendiger, haben zusätzlich eine PVC-Folie auf der Innenseite und halten daher größeren Belastungen stand.

Beim Dial-Blister kann die Kapsel erst dann herausgedrückt werden, wenn der Blister in die richtige Position gedreht wurde. Beim so genannten Slide-Blister ist der Blister auf der Oberseite einer Pappkarte fixiert. Auf der Rückseite befindet sich zwischen Blister und Papprückwand eine bewegliche Plastikscheibe. In der Grundposition der Plastikscheibe ist diese gegen den Blister verschoben und verhindert so das Herausdrücken.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Lösungen für kindergesicherte Pharmaverpackungen wie Verschlussstopfen für Röhrenverpackungen, die brieftaschenartige Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Ein großer Faltschachtelhersteller hat eine Schachtel entwickeln, die durch einen Trickverschluss besonders kindersicher ist: Die Faltschachtel öffnet sich nur dann, wenn zwei dunkelblau gekennzeichnete Punkte gleichzeitig gedrückt werden. Die Kindersicherung ist damit bereits bei der Umverpackung gegeben.

Von Kindern getestet

Wer der Meinung ist, eine Blisterverpackung ist per se sicher, der irrt. Es ist durchaus möglich, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie kindersicher ist; kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch nicht. Und auch nicht jeder Drück-/Dreh-Verschluss ist kindergesichert – und somit wirklungslos, eine „Mogelpackung“. Um dies wirklich zu gewährleisten bedarf es der Prüfung und Zertifizierung durch die Zertifizierungsstelle. Damit eine Verpackung das Prädikat „kindergesichert“ vom ivm verliehen bekommt, muss sie eine Reihe von Tests durchlaufen. Damit die Ergebnisse so aussagekräftig wie möglich ausfallen, arbeitet das ivm beispielsweise regelmäßig mit Kindergärten zusammen. Hier überprüfen die Kleinen selbst, ob die kindergesicherten Verpackungen auch wirklich halten, was sie versprechen.

Für einen dieser Tests versuchen Kleinkinder im Alter zwischen 42 und 51 Monaten fünf Minuten lang eine wiederverschließbare Verpackung zu öffnen – ohne, dass es ihnen vorher gezeigt oder erklärt wurde. Dabei überraschen die Mädchen und Jungen mit ungeahntem manuellen Geschick. Scheitern sie, bekommen sie den Öffnungsvorgang demonstriert. Dann dürfen sie es noch einmal fünf Minuten lang ausprobieren. Eine Packung gilt dann als kindergesichert, wenn es mindestens 80 Prozent einer Gruppe von bis zu 200 Kindern in zehn Minuten nicht gelingt, eine Packung zu öffnen oder an den Inhalt zu kommen. Kinder sind pfiffig und lernen schnell. Aus diesem Grund darf ein Kind an nicht mehr als zwei Prüfungen im Jahr teilnehmen. Zwischen den Tests müssen außerdem mindestens zwei Wochen liegen. Darüber hinaus müssen in einer Prüfgruppe von 100 Senioren im Alter von 50 bis 70 Jahren mindestens 90 Prozent in der Lage sein, die Verpackung innerhalb einer Minute zu öffnen und ggf. wieder richtig zu verschließen, nachdem sie sich fünf Minuten mit der Verpackung vertraut gemacht haben.

Für Senioren geeignet

Da Kinder unterschiedlich große Packungen auch unterschiedlich handhaben, ist ein guter Verschluss auf einer Flasche mit 100 ml noch lange kein Garant für Kindersicherheit bei einem Behälter mit 1000 ml. Da sie die kleine Flasche besser halten können als die große, haben sie mehr Kraft für den Verschluss – und schon ist er offen. Daher müssen bei einer Verpackungsfamilie sowohl der kleinste als auch der größte Behälter geprüft werden; die Zwischengrößen geltend dann als mitzertifiziert.

Normen – von Land zu Land unterschiedlich

In Deutschland gelten eine Reihe von Normen, die – teils mit Abweichungen in den USA – weltweit anerkannt sind: Die ISO 8317 gilt für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen, die DIN EN 862 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für nicht pharmazeutische Produkte und die DIN EN 14375 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte. Im Vergleich dazu gilt in den USA eine Norm (US 16 CFR § 1700.20), die unabhängig von der Art der zu verpackenden Produkte (pharmazeutisch oder nicht pharmazeutisch) und des Verschlusssystems (wiederverschließbar oder nicht wieder verschließbar) ist.

Wichtig: Nur Institute, die der Norm DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen entsprechen sind berechtigt und anerkannt, die Konformität der Verpackungen mit den aufgeführten Normen durch ein Zertifikat zu bestätigen.

Ein anschauliches Beispiel für unterschiedliche Bestimmungen und Normen zwischen USA/Deutschland liefert die Blisterverpackung: So gilt sie in Deutschland als kindersicher, wenn es den Kleinkindern nicht gelingt, nacheinander mehr als acht Kapseln herauszunehmen. Die Statistiken zeigen jedoch, dass auch weniger als acht Tabletten ausreichen, um Kinder ernsthaft krank werden zu lassen. In den USA beschäftigt man sich bereits seit vielen Jahrzehnten mit dieser Thematik. Schon 1970 wurde dort die »Poisons Prevention Packaging Act« (PPPA), das Gesetz zur Verhinderung von Vergiftungen durch Verpackung, eingeführt. Basis dafür war eine Studie, die belegte, dass durch das Prinzip „Drücken und Drehen“ die Zahl der Vergiftungen von 183 auf 24 gesenkt werden konnte. Statistiken seit Anfang der 70er Jahre belegen einen Rückgang der Todesfälle durch Vergiftungen in den USA um mehr als 80 Prozent. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Verbraucherschutzmaßnahmen mittlerweile etwa 1.000 Kleinkindern das Leben gerettet haben.

Diese von Land zu Land unterschiedlichen Gesetze und Normen sind für international tätige Unternehmen mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Da mit der Zunahme der Globalisierung die meisten Hersteller von pharmazeutischen Produkten auch den US-amerikanischen Markt im Auge haben, ist hier jedoch eine Verbesserung in Sicht.
Unabhängig von nationalen oder internationalen Normen steht ein wichtiger Aspekt im Vordergrund: „Um das Ziel der Kindersicherheit zu erreichen, ist es wichtig – sowohl auf Seiten der Verpackungshersteller als auch bei Abfüllern und Pharmaunternehmen – bereits in der Planungsphase mit Zertifizierungs-Experten zusammenzuarbeiten“, so Dr. Rolf Abelmann. Eine spätere Anpassung könne sonst zu einer kostenspieligen Angelegenheit werden.

Zusammenfassend muss darauf hingewiesen werden, dass sehr viele Arzneimittel für Kleinkinder so gefährlich sind, dass eine kindergesicherte Verpackung unbedingt erforderlich ist. Kindergesichert bedeutet aber nur dann wirklich sicher vor Kinderhänden, wenn Verpackung und Verschluss von einem neutralen Institut geprüft und zertifiziert sind. 

Wichtige Normen für kindergesicherte Pharmaverpackungen im Überblick:

ISO 8317 (2003)

Die ISO 8317 (2003) [entspricht DIN EN ISO 8317 (2004)] ist die internationale Norm für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen. Sie findet sowohl im Bereich der pharmazeutischen als auch für chemisch-technische Produkte Anwendung. Da in diese Gruppe auch die größte Anzahl verfügbarer kindergesicherter Verpackungen fällt, ist sie die wichtigste Norm. Die Norm beschreibt zwei Prüfverfahren, welche die zu testenden Verpackungen zu durchlaufen haben. In einem Test mit einer Gruppe von bis zu 200 Kleinkindern im Alter zwischen 42 und 51 Monaten dürfen diese nicht in der Lage sein, die mit einem ungefährlichen Ersatzstoff gefüllte Verpackung zu öffnen. Gleichzeitig muss eine Testgruppe von Senioren im Alter zwischen 50 und 70 Jahren in der Lage sein, die Verpackung problemlos zu öffnen. Nur Verpackungen, die sich sowohl als kindersicher im Test mit Kleinkindern als auch als geeignet für Senioren im Sinne der Norm erweisen, erfüllen die Anforderungen der ISO 8317 (2003).

Prüfung mit Kleinkindern im Alter zwischen 42 und 51 Monaten

Die Kinder haben während der Prüfung zunächst fünf Minuten Zeit, die Verpackung wie auch immer zu öffnen. Nach Ablauf dieser Zeit wird den Kindern der Öffnungsvorgang einmalig und ohne Erklärung demonstriert. Anschließend haben die Kinder weitere fünf Minuten Zeit, die Öffnung der Verpackung zu versuchen. Die Verpackung gilt als kindersicher, wenn innerhalb der ersten fünf Minuten maximal 15% der Kinder in der Lage sind, die Verpackung zu öffnen. Während der vollen Testdauer dürfen zudem höchsten 20% der Kinder an den Inhalt der Verpackung gelangen. Werden bei den Tests mit Kleinkindern lediglich sehr wenige Öffnungen festgestellt, so ist eine Reduzierung der Testgruppe auf weniger als 200 Kinder im Rahmen der sogenannten Sequentialauswertung möglich.

Prüfungen mit Senioren im Alter zwischen 50 und 70 Jahren

Während der Prüfung mit Senioren haben diese zunächst fünf Minuten Zeit, die Verpackung zu öffnen. Eine Demonstration findet nicht statt. In einem zweiten Durchlauf verbleibt den Senioren nur noch eine Minute für den Öffnungsversuch. Die Verpackung gilt als für Senioren geeignet, sofern mindestens 90% der Testgruppe in der Lage sind, die Verpackung zu öffnen und wieder richtig zu verschließen. Die Zusammensetzung der Testgruppe ist mit 100 Personen vorgegeben, von denen 25 Teilnehmer im Alter zwischen 50 und 54 Jahren, 25 Personen im Alter zwischen 55 und 59 Jahren sowie 50 Senioren zwischen 60 und 70 Jahren alt sein müssen. In jeder dieser Altersgruppen sollen 70% weiblich sein.

EN 14375 (2003)

Die EN 14375 (2003) [entspricht DIN EN 14375 (2004)] ist die europäische Norm für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte. Sie ist insbesondere als Ersatz für die DIN 55559 zu verstehen, die keine Anwendung mehr findet.
Diese Norm gilt insbesondere für Blisterverpackungen von Tabletten aber auch für Stickpacks oder Granulatbeutel. Wie bei der ISO 8317 bestehen die Anforderungen der EN 14375 aus zwei Überprüfungen, in denen sich Kleinkinder im Alter von 42 bis 51 Monaten außer Stande erweisen müssen, die Verpackung zu öffnen, Senioren im Alter zwischen 50 und 70 Jahren aber in der Lage sein sollen, die Verpackung zu öffnen.
Während die Testverfahren im Wesentlichen der ISO 8317 entsprechen (zweimal fünf Minuten Prüfdauer mit Kleinkindern sowie fünf plus eine Minute Testdauer mit Senioren), gibt es eine Besonderheit im Rahmen der Tests mit Kleinkindern. Hier gilt eine Verpackung erst dann im Sinne des Prüfverfahrens als geöffnet, sobald das jeweilige am Test teilnehmende Kind mehr als acht Einheiten der Verpackung entnommen hat. Wichtig ist hier der Hinweis, dass während des Tests den Kindern mindestens 10 Dosiseinheiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Vorstellung, dass ein Stickpack mit einer oder ein Blister mit weniger als neun Dosiseinheiten nicht kindergesichert sein müsse, ist daher falsch und kann gefährliche Folgen haben.

Wichtiger Hinweis: Ältere Zertifikate oder Gutachten entsprechend der früher gültigen Normen EN 862 (2001), DIN 55559 (1998), EN 28317 (1994) oder ISO 8317 (1989) sind nicht mehr verwendbar und müssen angepasst werden.

US 16 CFR § 1700.20

Die US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR § 1700.20 beschreiben das Prüfverfahren welches in den USA für kindergesicherte Verpackungen Anwendung findet. Die Bestimmungen gelten gleichermaßen für wiederverschließbare als auch für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen unabhänigig von der Art der verpackten Produkte. Das beschriebene Testverfahren ist denen der unter 1 und 2 beschriebenen Normen sehr ähnlich und besteht ebenfalls aus Tests mit Kleinkindern u und Senioren. Die sich ergebenden Unterschiede bestehen vor allem aus genaueren Anforderungen an die Zusammensetzung der zu prüfenden Stichproben und dem eingesetzten Prüfpersonal. Lediglich im Fall von nicht wiederverschließbaren Verpackungen für pharmazeutische Produkte weichen die Anforderungen deutlich von denen der EN 14375 ab.

Wichtig: In vielen Fällen kommt es vor, dass die amerikanischen Behörden Zertifikate entsprechend US 16 CFR § 1700.20 verlangen. Dies sollte bei der Prüfung und Zertifizierung von kindergesicherten Verpackungen frühzeitig berrücksichtigt werden.

 

Entschieden wird in den USA

neue verpackung 12-2008

Talk-im-Museum zum Thema Seniorenfreundlichkeit


Die Alten scheitern an nicht gewollten Hürden der Verpackung. Die Jungen erreichen kindlich-experimentell gefährliche Stoffe. Dabei sollen sich den KindernHindernisse in den Weg stellen und den Senioren bequeme Öffnungsmöglichkeiten anbieten. Die Diskussion im Verpackungsmuseum Heidelberg ergab: Die Seniorenfreundlichkeit steht erst am Anfang.

neue verpackung: Kindersicher und zugleich seniorenfreundlich gelten eigentlich als Standard bei der Verpackung kindergefährdender Stoffe. Die Realität sieht allerdings anders aus. Wo die ältere Generation Probleme bekommt, erreichen Kinder spielerisch den Inhalt. Klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander?

Dr. Horst Antonischki: Es ist sicherlich so, dass Kindersicherung und Altentauglichkeit in der Verpackung einander scheinbar widersprechen. Das muss aber nicht der Fall sein. Es gibt durchaus Lösungen, die beiden Seiten gerecht werden. Die geläufige Lösung bei Behältern –Drücken und Drehen – ist bereits 1946 entwickelt worden. Das Prinzip stammt aus den USA und hat das Ziel, Kinder durch Schwergängigkeit am Öffnen zu hindern. Es hat sich zumindest bei den Behältern für pharmazeutische Produkte sehr breit durchgesetzt und hat seine Funktionsfähigkeit bewiesen. Die Schwierigkeit liegt in der Regel bei der Seniorengerechtigkeit. Eine für beide Ziele brauchbare Lösung entsteht, zum Beispiel dadurch, dass der Druck-Dreh-Verschluss durch einen Bajonett-Verschluss oder eine Lösung, bei der zwei Symbole übereinandergestellt werden müssen, ersetzt wird. Aus der Industrie dagegen hören wir: Die Alten können mit dem Drück-Dreh-Verschluss am besten umgehen, weil sie ihn kennen. Unsere Erfahrung bei der Zertifizierung kindergesicherter Verschlüsse belegt: Die Senioren durchschauen den Trick bei den Öffnungsmechanismen durchaus. Es sind meist die motorischen Fähigkeiten, die sie daran hindern, eine Verpackung bequem öffnen zu können.

Meino Adam: Seniorengerechtigkeit ist für ein Pharma-Unternehmen schwer zu definieren. Diese Industrie orientiert sich Entschieden wird in den USA am Krankheitsbild und nicht ausschließlich über eine Altersphase.

Salvatore Santoro: Blister sind im Hinblick auf Kindersicherheit eigentlich prädestiniert, weil man immer nur eine Dosis entnehmen kann. Die Anforderungen an Kindersicherheit und Seniorenfreundlichkeit sind jedoch gegenläufig. Hürden, die man Kindern in den Weg legt, sollten für Senioren leicht zu bewältigen sein. Wir können in Zusammenarbeit mit den Pharmazeuten Lösungen, wie unseren Peel-Push-Verschluss, entwickeln. Letztendlich ist es jedoch der Pharmazeut, der entscheidet, welche Lösungen er in den Markt bringt. Hierbei sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Desweiteren muss der Endverbraucher den Öffnungsmechanismus verstehen und akzeptieren.

Dr. Erika Neubauer: Die BAGSO hat Befragungen bei den Älteren durchgeführt Danach haben bereits 92 Prozent Schwierigkeiten, selbst nicht kindergesicherte Verpackungen zu öffnen. 40 Prozent beklagen, dass sie mehrfach pro Woche vor diesem Problem stehen.Die größten Probleme bestehen bei Produkten mit Folieneinschlag. Dazu gehören auch viele Pharmaprodukte. Ältere neigen dazu, sich kindergesicherte Produkte öffnen zu lassen und in einem ungesicherten Zustand aufzubewahren. Dann taugt die beste Kindersicherung nichts mehr.

Meino Adam: Die Hauptanforderung an die Verpackungsindustrie lautet immer: Wir benötigen eine kindergesicherte Verpackung. Die Senioren waren in den letzten Jahren noch kein Thema. Die Senioren sind aber ein großer Markt, sie nehmen mit Abstand die meisten Medikamente.Deswegen kommt das Thema langsam an die Oberfläche. Die bestehenden Normen machen es der Industrie relativ leicht. Die Senioren, die an den Tests teilnehmen, sind zwischen 50 und 70 Jahren alt. Die wenigsten davon sind im eigentlichen Sinne Senioren.

Salvatore Santoro: In der aktuellen Norm EN 14375 sind die Senioren stärker berücksichtigt als in der alten Norm DIN 55559. Diese Norm haben wir als Vorgabe. Hier werden Senioren für die Tests herangezogen, die normale Fähigkeiten aufweisen. Wir müssen uns an die geltende Norm halten. Die Chance zur Berücksichtigung von älteren Erwachsenen mit eingeschränkten Fähigkeiten besteht in der Anpassung der  vorgeschriebenen Tests aus der Norm. Die Schwierigkeit ist allerdings, den Begriff „eingeschränkte Fähigkeiten“ genau zu definieren, denn hieraus können sich Anforderungen in stark unterschiedliche Richtungen ergeben.

neue verpackung: Es möchte niemand Senior sein. Man fühlt sich jung geblieben. Muss man das Thema vielleicht umbenennen, um es aus einer ungeliebten Ecke heraus zu bekommen? 

Dr. Horst Antonischki: Unter dem Begriff Design-for-all oder Universal-Design betritt das Thema „Easy opening“ gegenwärtig die Normenlandschaft. Die Normen für kindergesicherte Verpackungen verlangen eine Kindersicherheit für bestimmte Inhaltsstoffe. Sie erreicht faktisch Gesetzescharakter, weil sie durch Anordnung, zum Beispiel durch das BfArM, eingehalten werden muss. Die Dinge, die jetzt kommen, wie zum Beispiel Easy-Opening, werden freiwillige Normen sein. Deswegen werden die zunächst auch nicht so ernst genommen.

neue verpackung: Was wird dort denn verlangt? 

Dr. Horst Antonischki: Design-for-all soll eine Convenience-Verpackung für alle Menschen ermöglichen. Deswegen enthält diese Verordnung sehr viele Komponenten, nicht nur die zum Öffnen notwendige Kraft. Es geht um die Dimensionen, das Sehen und Halten, Greifen und Tragen. Alle diese Bestandteile sollen irgendwann in diese Norm einfließen. Im Augenblick befassen wir uns mit dem substanziellen, dem leichten Öffnen. Dabei ist ein Blick auf den Initiator hilfreich. Die Anregung kommt von der schwedischen Rheuma-Liga. Deswegen sehen wir beim Aufbau der Norm mit extremen Forderungen bei den Prüfvoraussetzungen konfrontiert. Und diese Entwicklung wird wegen des Wettbewerbsdrucks kommen. Wenn erste Discounter Easy-Opening gemäß dieser Norm verlangen, werden andere nachziehen.

Dr. Manfred Zurkirch: Über der Seniorengerechtigkeit darf man die Kindersicherung nicht vergessen. Die Medikamente werden von den Inhaltsstoffen her potenter. Das wird dazu führen, dass irgendwann die einzelnen Tabletten geschützt werden müssen. Single-Protec tion erleben wir bereits in den USA. Deswegen vermute ich, die Kluft zwischen Kindersicherheit und Seniorenfreundlichkeit wird größer.

neue verpackung: Die Maschinenindustrie kann die entsprechenden Lösungen bieten?

Dr. Manfred Zurkirch: Wir sehen viele Lösungen auf dem Markt. Ein Gutteil kann man sofort vergessen. Da werden Verpackungen aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt. Die sind nicht automatisierbar; die sind zu teuer. Die Industrie wird zwar bereit sein, ein wenig mehr zu investieren. Aber es darf in den USA nicht viel mehr kosten als die Fläschchen. Und die kosten aufgrund von Überkapazitäten fast nichts. Das bedeutet konkret, die Automatisierung muss einfach zu machen sein. Ein cleveres Verpackungskonzept in Kombination mit einer einfachen, flexiblen Maschinenkonfiguration wird diese Herausforderungen aber meistern.

Lothar Brauer: Die Norm unterscheidet zwischen wieder verschließbaren und nicht wieder verschließbaren Verpackungen. Sie greift damit direkt auf die Verwendung der Verpackung zu. Da sollten sich die Anforderungen zum Beispiel zwischen Pharmazeutika und Baumarktprodukten unterscheiden. Es ist eine Stilblüte, wenn 30-Liter-Gebinde mit 60-mm-Verschlüssen als kindersichere Verpackungen ausgelegt werden sollen. Wir produzieren Derartiges auf Kundenwunsch, aber die Sinnhaftigkeit steht in Frage.

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Ich bin eigentlich zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren wunderbare Lösungen kommen werden. Dabei betrachte ich das Normen-Geschehen eher kritisch. Normen bewegen soviel, wie sie auch hemmen. Für den Bereich Kindersicherheit haben Normen ihre Berechtigung. Bei den Senioren kann aber eigentlich nichts passieren. Im Zweifelsfall kann der Senior die Packung nicht öffnen. Dadurch entsteht kein Risiko. Hier geht es um mehr Convenience. Dieser Markt bietet erheblich mehr Freiraum. Deswegen sehe ich hier eher Impulse als Normen. Wir sollten die Beteiligten motivieren, kreativ an Lösungen heranzugehen. Bei Alltagsprodukten wie Toilettenpapier haben Tragegriffe oder Öffnungshilfen Bewegung in den Markt gebracht. Normen werden hier gar nicht gebraucht.Es geht um Wettbewerb im klassischen Sinn. Das honoriert der Markt. Das honorieren auch die Älteren. Interessanterweise sind es häufig Handelsmarken, die durch besondere Convenience auffallen. Dafür bedarf es keines Begriffs wie der Seniorengerechtigkeit. Darüber entscheiden die Kunden jeden Tag an der Ladentheke.

Dr. Erika Neubauer: Natürlich wird es der Markt schon richten. Aber das dauert sehr lange. Und die Anforderungen an die Produkte sind unterschiedlich. Beim Beispiel Toilettenpapier kann der Kunde die im Verkaufsregal präsentierten Produkte selbst prüfen und miteinander vergleichen, so dass eine Auswahl- und Entscheidungsmöglichkeit besteht. Dies ist bei Pharmazeutika, die der Apotheker auf den Tisch legt, nicht gegeben. Normen, oder zumindest erprobte Prüfverfahren, können deswegen die Sache voranbringen. Ich habe aber den Eindruck, da gibt es noch gar nicht so viel. Hier wären mehr Klarheit und Standardisierung hilfreich. 

Dr. Kornelia Grießmann: Bei den Pharmazeutika ist die Entscheidung nicht derart kundengesteuert, weil die Apotheken in der Regel verpflichtet sind, das abzugeben, was im unteren Preisbereich liegt. 

Lothar Brauer: Es bleibt wichtig, dass bestimmte Entwicklungen weiter über Normen geregelt werden. Als Unternehmen, das in Deutschland entwickelt, aber global vertreibt, sind wir daran interessiert, eine weltweit einheitliche Norm zu haben. Damit kann ich Lösungen, die ich in Deutschland getestet und zugelassen habe, auch in den USA nutzen.

Salvatore Santoro: Im Hinblick auf die Toxizität herrschen in den USA und in Europa unterschiedliche Vorschriften. Das bedeutet, Pharmazeuten, die auf beiden Kontinenten verkaufen, müssen sich nach beiden Normen richten. Wir bzw. der Kunde müssen uns an die geltenden Normen halten, wir können aber auch in Zusammenarbeit mit dem Kunden Lösungen entwickeln die höheren Anforderungen erfüllen. Die Lösungen hängen jedoch maßgeblich vom Design der Tablette und des Blisters ab und können nur in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden erarbeitet werden. Wir haben auch Designstudien mit alternativen Öffnungsmechanismen durchgeführt, die Lösungsansätze für die Zukunft aufzeigen.

Meino Adam: Wir richten uns immer nach der amerikanischen Norm, egal, für welchen Markt wir entwickeln, weil die jeder weltweit anerkennt. Das ist die härteste Norm und der Markt gibt sie vor. Der Markt bewegt sich deutlich in Richtung altersgerecht. Selbst in der jüngeren Generation ist das Thema Convenience und Compliance zu einem wichtigen Thema geworden. Die Pharmazeuten haben erkannt, dass es Probleme gibt. So werden Toploader-Verpackungen, bei denen die Verpackungen an der größten Seitenfläche geöffnet werden, deutlich zulegen. Dazu kommen neue Anwendungsformen wie Inhaler, die dem Patienten den Gebrauch erleichtern. Die Pharmazeuten kennen aber auch die Probleme der Patienten beim einzelnen Krankheitsbild. Sie wissen, Patienten sind bei bestimmen Medikamenten motorisch gestört. Hier werden entsprechende Forderungen an uns weitergetragen. Die Pharma-Industrie hat erkannt, die Verpackungen sind für den Verbraucher, auch den normalen, zu schwierig angelegt. Dies gilt insbesondere für Markenhersteller. Die werten ihre Verpackungen im Vergleich zu den Generika-Herstellern auf.

Dr. Horst Antonischki: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit klappt bis heute nicht ausreichend. Die Entwicklung würde einfacher verlaufen, wenn die Gesichtspunkte „Kindersicherheit“ und „Convenience„ von Anfang an in die Diskussion einfließen würden. Unser Institut bekommt immer wieder Packungen zur Prüfung, die praktisch fertig entwickelt sind. Es ist dann sehr schwer, an den teuer entwickelten Verpackungen noch etwas zu ändern. Wenn der Erfahrungsschatz, der bei der Kindersicherheit besteht, rechtzeitig eingebracht werden kann, werden auch kostengünstige Lösungen möglich.

Dr. Manfred Zurkirch: Der Markt der Seniorenfreundlichkeit wird ebenso wie die Norm in den USA entschieden. Dort müssen sich immer mehr Brands differenzieren. Das können sie nicht mit den traditionellen Flaschen. Die dortige Industrie wird das Thema pushen und eigene Tests durchsetzen. Wer etwas auf den Markt bringen kann, was den Senioren gefällt, der gewinnt. Aber eins ist auch sicher, die perfekte Packung wird es nie geben.

Dr. Horst Antonischki: Wir prüfen weltweit Produkte. In der Tat wird hier meist die amerikanische Norm zugrunde gelegt.

Lothar Brauer: Wenn die amerikanischen Unternehmen sich von den Flaschen abwenden, dann sind Entwicklungen für Verschlüsse in diese Richtung natürlich eine Sackgasse. 

Dr. Horst Antonischki: Auf lange Sicht sicherlich.

neue verpackung: Wallets gelten als eine kindersichere Lösung. Inwieweit sind sie auch altersgerecht, so convenient, dass der Senior oder auch der Kranke an seine Tablette kommt, wenn er sie akut benötigt? 

Dr. Horst Antonischki: Konkrete Erkenntnisse liegen hier noch nicht vor. Es sind noch zu wenige im Markt. Generell ist festzustellen, dass die außen gesicherten Wallets leichter zu öffnen sind, wenn das Prinzip verstanden wurde. Hier sind nur zwei Bewegungsabläufe notwendig. Die innen gesicherten Wallets dagegen bieten einzeln gesicherte Pillen. Da erleben wir dann, dass es für Senioren sehr schwierig wird. Es müssen drei, vier, manchmal sogar fünf Bewegungen hintereinander gemacht werden. 

Dr. Kornelia Grießmann: Drei, vier Bewegungen, das fördert auch bei Jüngeren nicht gerade die Compliance.

Dr. Horst Antonischki: Bei einem Blister lässt sich unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherungsmaßnahmen immer noch eine relativ bequeme Pharmaverpackung finden. Kinder neigen dazu, Blister zu drehen und zu knautschen. Sind die Blister dann mit Perforationen versehen, dann vereinzeln die Tabletten. Die Kinder verlieren das Interesse. Deswegen haben wir mit Peel-Push-Folien gute Erfahrungen gemacht, sofern sie richtig konstruiert sind.

Salvatore Santoro: Es müssen nicht immer komplizierte technische Lösungen sein. Man erreicht auch Kindersicherheit, indem man die Hürde erhöht. Wir verfügen über Folien, bei denen wir die Durchstoßkraft anpassen können. Dies praktizieren wir oft. Dafür müssen wir aber frühzeitig in die Entwicklung beim Kundeneingebunden werden.

neue verpackung: Convenience-Aspekte spielen bei rezeptpflichtigen Medikamenten gegenwärtig eine untergeordnete Rolle. Haben die Pharma-Unternehmen den Verbraucher trotzdem im Blick?

Dr. Kornelia Grießmann: Der Pharmazeut in der Apotheke ist heute daran gebunden, was er abgeben darf. Das gilt natürlich nicht für den OTC-Bereich. Bislang diskutieren wir aber überwiegend für den Sektor der Neuentwicklungen. Es gibt naturgemäß viel mehr Altprodukte. Hier stehen im Rahmen des Life-Cycle nicht die Mittel zur Verfügung, die für eine neue Brand bereitgestellt werden. Dazu stellt sich die Frage, wieweit verändere ich die Verpackung einer Marke, die lange Zeit im Markt ist – auch im Sinne der Kunden Compliance. Wenn ich eine entsprechende Änderung einleite, müssen die dazu gehörenden Qualitätsdaten gewonnen werden. Das sind Kosten, die zunächst einmal nicht betrachtet werden.

Dr. Horst Antonischki: Bei Altpräparaten lassen sich auch durch geringen Aufwand, wie Änderungen der Folie oder der Konstruktion, bemerkenswerte Effekte sowohl bei der Convenience als auch bei der Kindersicherheit erzielen. Das muss nicht viel kosten. 

Meino Adam: An einem bestehenden Produkt etwas zu verändern, ist so gut wie unmöglich. Da müssen neue Zulassungen beantragt werden, für neue Folien sind neue Stabilitätstests notwendig. Deswegen wird dies nicht funktionieren. Wo etwas zu bewegen ist, das sind jene Blockbuster, die bei der Industrie noch in der Pipeline stecken. Es müssen tatsächlich Blockbuster sein, die eine eigene Abpacklinie rechtfertigen. Mit dem richtigen Umsatz sind auch spezielle Lösungen möglich.

Dr. Manfred Zurkirch: Hätten wir heute noch Mono-Linien, dann wäre das Unternehmen tot. Kunden, die heute Maschinen bei uns kaufen, wechseln zum Teil fünf bis sechs Mal am Tag das Produkt und somit das Format.

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Auf Dauer wird es sich kein Arzt leisten können, Medikamente zu verordnen, die eine schlechte Convenience aufweisen. Auf mittlere Sicht wird auf diesem Gebiet zwischen den Pharma-Unternehmen ein harter Wettbewerb einsetzen, weil die Innovationen fehlen. Wenn damit die wissenschaftlichen Argumente ausgehen, werden die Pharmazeuten in die gleiche Lage versetzt, wie die Konsumgüter-Industrie. Deswegen muss mit Mehrwert argumentiert werden.

Dr. Kornelia Grießmann: Da würde ich nur für OTC-Produkte zustimmen. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sehe ich das im Sinne von Sparmaßnahmen nur sehr beschränkt. Gerade bei generischen Produkten ist der Einfluss seitens des Markts nicht sehr groß. 

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Ich betrachte dies aus dem Blickwinkel der Arzt-Patienten- Beziehung. Der Pharma-Außendienst wird nämlich gegenüber dem Arzt mit Convenience-Aspekten argumentieren. Das ergibt für die Beziehung zwischen Arzt und Patienten ein schlagendes Argument, das in den nächsten Jahren sehr viel stärker werden wird. Der Arzt wird also versuchen, den Spielraum, den er hat, in Richtung dieser Präparate zu lenken. Salvatore Santoro: Kindergesicherte Verpackungen sollten zur Selbstverständlichkeit werden. Dazu ist eine Norm hilfreich. Damit wird sichergestellt, dass sich alle Beteiligten mit dem Thema frühzeitig auseinandersetzen.

Lothar Brauer: Eine Norm ist ja nicht etwas, was ewig stehen bleibt. Es ist vom Gesetzgeber vorgesehen, dass sie alle fünf Jahre überarbeitet wird. Damit wird der Möglichkeit der technischen Weiterentwicklung Rechnung getragen.

neue verpackung: Wenn der Verbraucher mehr Wünsche äußert, auf mehr Convenience drängt: Welche Chancen verbinden sich denn damit? 

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Die Innovation treibt alle Warenbereiche deutlich nach vorne. Bei einem Vergleich zwischen Markenartikeln und Generika haben wir festgestellt, dass einzelne Generika-Hersteller unter Convenience-Aspekten äußerst gute Verpackungen aufweisen. Diese Anbieter haben das Thema erkannt, mit dem sie in Zukunft punkten können. Es ist im Grunde bei Handelsmarken und Generika die gleiche Denkhaltung. Sie sind nah am Kunden und werden den Handhabbarkeitskriterien in den nächsten Jahren noch mehr Bedeutung beimessen. Das wird kreative Lösungen für beide Seiten des Problems bringen.

 

 

Kindersicherung: Ein Gutteil ist wirkungslos

neue verpackung 09-2008

Kinder- und seniorengerechte Verpackungen sind sein Anliegen.
Dr. Rolf Abelmann, Geschäftsführer bei ivm-childsafe, stellt fest:
Es gibt Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.

neue verpackung: durch etliche Fernsehbeiträge wurde das Thema Kindersicherheit und Verpackung erneut aktualisiert. Wie beurteilen Sie über den Stand der Technik hinweg die Umsetzung in den einzelnen Produktkategorien wie Haushaltschemikalien oder Pharma?

Dr. Rolf Abelmann: Bedauerlicher Weise gibt es neben einer Mehrheit von verantwortungsvoll handelnden Unternehmen die für gefährliche Produkte oder Arzneimittel uneingeschränkt zertifizierte kindergesicherte Verpackungen einsetzten, auch eine Vielzahl von Fällen, in denen das Thema Kindersicherheit – bewusst oder unbewusst – vernachlässigt wird. Häufig führen dabei Unwissenheit und falsche Vorstellung der Verantwortlichen zu Verpackungslösungen, die in der Praxis keinen wirksamen Schutz gegen die Öffnung durch Kleinkinder bieten. Auf diese Weise wird die Gesundheit von Kleinkindern gefährdet, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden kann.

neue verpackung: Reichen die gesetzlichen Vorschriften aus, die EU-weit und bundesrechtlich das Thema regeln, oder besteht weiterer Handlungsbedarf?

Dr. Rolf Abelmann: Im Hinblick auf die vorhandene Gesetzgebung zeichnet sich ein relativ uneinheitliches Bild, da unterschiedliche Produktgruppen von denen eine Gefahr für Kleinkinder bei Missbrauch ausgeht, gesetzgeberisch leider unterschiedlich behandelt werden. Wenn man die Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern berücksichtigt erkennt man allerding einen klaren Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.Hier wäre eine Orientierung an den Bestimmungen in den USA empfehlenswert, in denen ein Großteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel kindergesichert verpackt werden müssen.
Ein anderes Thema bei gesetzlichen Bestimmungen ist allerding deren Einhaltung und Überwachung durch die Behörden. Gerade hier ist die Situation in Deutschland beunruhigend. Die aktuellen Anforderungen aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist davon auszugehen, dass ein bedeutender Anteil der in Deutschland eingesetzten kindergesicherten Verpackungen für pharmazeutische Produkte praktisch wirkungslos ist. Aber auch im Gefahrstoffrecht wäre eine Anpassung wünschenswert, da verschiedene Stoffgruppen, von denen durchaus eine Gefahr für Kinder besteht, immer noch ungesichert in Verkehr gelangen.

neue verpackung: Vermeintliche kindersichere Lösungen zeigen in der Praxis immer wieder, dass Kinder durchaus Zugang zum Produkt finden. Wie sicher ist kindersicher?

Dr. Rolf Abelmann: Leider wird häufig davon ausgegangen, dass bestimmte Verpackungskomponeten, wie z. B. Verschlüsse oder Folien für Blisterverpackungen per se kindergesichert wären. Dies ist nicht der Fall. Um die kindergesicherte Funktion einer Verpackung sicherzustellen muss die vollständige Verpackung, in bestimmten Fällen auch der Inhalt, berücksichtigt werden. Als kindergesichert können nur solche Verpackungen zu Recht bezeichnet werden, die entsprechend den bestehenden internationalen Normen geprüft und durch ein unabhängiges akkreditiertes Institut zertifiziert worden sind.

 

Kindersicherung: Ein Gutteil ist wirkungslos

neue verpackung 09-2008

Kinder- und seniorengerechte Verpackungen sind sein Anliegen.
Dr. Rolf Abelmann, Geschäftsführer bei ivm-childsafe, stellt fest:
Es gibt Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.

neue verpackung: durch etliche Fernsehbeiträge wurde das Thema Kindersicherheit und Verpackung erneut aktualisiert. Wie beurteilen Sie über den Stand der Technik hinweg die Umsetzung in den einzelnen Produktkategorien wie Haushaltschemikalien oder Pharma?

Dr. Rolf Abelmann: Bedauerlicher Weise gibt es neben einer Mehrheit von verantwortungsvoll handelnden Unternehmen die für gefährliche Produkte oder Arzneimittel uneingeschränkt zertifizierte kindergesicherte Verpackungen einsetzten, auch eine Vielzahl von Fällen, in denen das Thema Kindersicherheit – bewusst oder unbewusst – vernachlässigt wird. Häufig führen dabei Unwissenheit und falsche Vorstellung der Verantwortlichen zu Verpackungslösungen, die in der Praxis keinen wirksamen Schutz gegen die Öffnung durch Kleinkinder bieten. Auf diese Weise wird die Gesundheit von Kleinkindern gefährdet, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden kann.

neue verpackung: Reichen die gesetzlichen Vorschriften aus, die EU-weit und bundesrechtlich das Thema regeln, oder besteht weiterer Handlungsbedarf?

Dr. Rolf Abelmann: Im Hinblick auf die vorhandene Gesetzgebung zeichnet sich ein relativ uneinheitliches Bild, da unterschiedliche Produktgruppen von denen eine Gefahr für Kleinkinder bei Missbrauch ausgeht, gesetzgeberisch leider unterschiedlich behandelt werden. Wenn man die Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern berücksichtigt erkennt man allerding einen klaren Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.Hier wäre eine Orientierung an den Bestimmungen in den USA empfehlenswert, in denen ein Großteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel kindergesichert verpackt werden müssen.
Ein anderes Thema bei gesetzlichen Bestimmungen ist allerding deren Einhaltung und Überwachung durch die Behörden. Gerade hier ist die Situation in Deutschland beunruhigend. Die aktuellen Anforderungen aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist davon auszugehen, dass ein bedeutender Anteil der in Deutschland eingesetzten kindergesicherten Verpackungen für pharmazeutische Produkte praktisch wirkungslos ist. Aber auch im Gefahrstoffrecht wäre eine Anpassung wünschenswert, da verschiedene Stoffgruppen, von denen durchaus eine Gefahr für Kinder besteht, immer noch ungesichert in Verkehr gelangen.

neue verpackung: Vermeintliche kindersichere Lösungen zeigen in der Praxis immer wieder, dass Kinder durchaus Zugang zum Produkt finden. Wie sicher ist kindersicher?

Dr. Rolf Abelmann: Leider wird häufig davon ausgegangen, dass bestimmte Verpackungskomponeten, wie z. B. Verschlüsse oder Folien für Blisterverpackungen per se kindergesichert wären. Dies ist nicht der Fall. Um die kindergesicherte Funktion einer Verpackung sicherzustellen muss die vollständige Verpackung, in bestimmten Fällen auch der Inhalt, berücksichtigt werden. Als kindergesichert können nur solche Verpackungen zu Recht bezeichnet werden, die entsprechend den bestehenden internationalen Normen geprüft und durch ein unabhängiges akkreditiertes Institut zertifiziert worden sind.

 

Kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte

Pharm. Ind. 08-2008

Übersicht über den aktuellen Wissens- und Normungsstand


Die Verwendung kindergesicherter Verpackungen für Arzneimittel stellt kein neues Thema dar. Unterschiedliche gesetzliche Verpflichtungen zum Einsatz sowie Normen und Prüfverfahren für kindergesicherte Verpackungen gibt es in vielen Ländern seit mehr als 30 Jahren. Immer wieder jedoch treten Fragen zum Themenkomplex kindergesicherter Verpackungen und deren Zertifizierung auf, die beantwortet werden müssen, um Sicherheit für Kleinkinder zur erreichen. Welche Arzneimittel müssen kindergesichert verpackt werden, in Deutschland und international? Welches sind geeignete kindergesicherte Verpackungen? Welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Welche Normen bestehen? Wer prüft und zertifiziert mit Blick auf die Wirksamkeit ihrer beabsichtigen Funktion? Gibt es kindergesicherte Folien für Blisterverpackungen? Nachfolgend werden Antworten auf die wichtigsten Fragen des Verpackungsmanagements gegeben und dabei gleichzeitig ein positiver Beitrag zum Thema Kindersicherheit geleistet.

Gesundheitsgefahren

Kindergesicherte Verpackungen werden eingesetzt, wenn eine gesundheitsgefährdende Wirkung für Kleinkinder besteht, falls diese mit dem Inhalt der Verpackung ungehindert in Kontakt gelangen. Der Einsatz hochwertiger und zertifizierter kindergesicherter Verpackungen hat daher insbesondere bei Arzneimitteln eine große Bedeutung. Die missbräuchliche Einnahme von Medikamenten durch Kleinkinder kann traumatische und lebensbedrohliche Folgen haben. Trotz unterschiedlich bestehender Auflagen zur kindergesicherten Verpackungen von Arzneimitteln gehören diese in den Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern immer noch zu den Hauptursachen.
Von Arzneimitteln geht bei Missbrauch grundsätzlich eine Gefahr für Kinder jeder Altersklasse aus, für Kleinkinder im Alter unter vier Jahren ist sie allerdings besonders groß. Sie verfügen noch nicht über das Wissen der Gefährlichkeit der Inhalte bestimmter Verpackungen. Darüber hinaus neigen die Kleinen dazu, viele Dinge unkontrolliert in den Mund zu nehmen. Dies ist besonders zu berücksichtigen, wenn man die Sicherheitskonzepte und die korrekte Funktionsweise von kindergesicherten Verpackungen richtig einsetzen oder beurteilen will.

Sicherheitskonzepte

Es gibt verschiedenste Verpackungslösungen, die gute Ansätze bei dem Versuch darstellen, Kleinkinder den Zugang zum Inhalt der Verpackungen zu erschweren. Wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen mit Verschlüssen, die nach dem Prinzip „Drücken und Drehen“ funktionieren, sowie spezielle kindergesicherte Blisterverpackungen sind dabei die bekanntesten. Viele wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen setzen dabei auf einen Trick, z. B. auf ein Öffnungsprinzip, bei dem zwei Bewegungen gleichzeitig koordiniert ausgeführt werden müssen.Andere, nicht wiederverschließbare Verpackungen erreichen die Sicherheit durch schwierig zu öffnende Materialien oder mehrere hintereinander auszuführende Öffnungsschritte (z.B. Peel-Push-Blister). Für Kinder bis zum Alter von vier Jahren stellen solche Sicherungssysteme, sofern qualitativ hochwertig gefertigt, eine wirkungsvolle Barriere dar. Kleinkinder haben große Schwierigkeiten mit der gleichzeitigen Ausführung von zwei abgestimmten Bewegungen; darüber hinaus verfügen sie in aller Regel noch nicht um das Wissen über die Funktionsweise komplexer Öffnungsmechanismen.

Frage der Wirksamkeit

Bei allen Verpackungen, die durch ihre Funktion darauf ausgerichtet sind zu verhindern, dass Kleinkinder an den gefährlichen Inhalt gelangen können, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Sicherung. Das bloße Vorhandensein eines beabsichtigten Öffnungsmechanismus, z.B. auf dem Prinzip „Drücken und Drehen“ beruht, ist kein ausreichernder Beleg dafür, dass der Zugriff auf den Inhalt für Kleinkinder auch wirklich verhindert wird. So lässt sich immer wieder beobachten, dass die Verschlusssysteme aufgrund ihrer technischen Komplexität und dem Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zwar darauf ausgerichtet sind, die Öffnung durch Kleinkinder zu unterbinden, dies jedoch in der Praxis oft nicht funktioniert.

Werden nicht geprüfte, qualitativ minderwertige Verpackungen eingesetzt, um Kinder vor dem gefährlichen Inhalt zu schützen, versagen diese oft in der Praxis!

Normen und Prüfverfahren

Zur Überprüfung und Gewährleistung der richtigen Funktionsweise kindergesicherter Verpackungen existieren unterschiedliche internationale Normen. Diese Normen beschreiben Prüfverfahren um zu untersuchen, ob die Sicherungsfunktion in Bezug auf Kleinkinder sowie die problemlose Handhabbarkeit durch Senioren gewährleistet sind. Die wichtigsten Standard sind dabei die ISO 8317 (2003) für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen, die EN 14375 (2003) für nicht wiederverschließbare Verpackungen für pharmazeutische Produkte sowie die US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR §1700.20. Gemeinsame Grundlage der Prüfverfahren ist jeweils ein zweimal fünfminütiger Test (vor und nach Demonstration der Öffnung der Verpackung) mit bis zu 200 Kleinkindern im Alter von 42 bis 51 Monaten, bei dem diese versuchen, die Verpackung zu öffnen, sowie eine Öffnungsprüfung mit Senioren im Alter von 50 bis 70 Jahren. Während bei den Test mit Kleinkindern maximal 15% der Testgruppe innerhalb der ersten fünf Minuten und maximal 20% der Kinder während der gesamten zehn Minuten in der Lage sein dürfen, an den Inhalt der Verpackungen zu gelangen, um die Anforderungen der Norm zu erfüllen, müssen sich bei den Test mit Senioren, mindestens 90% als in der Lage erweisen, die Verpackung innerhalb einer Minute zu öffnen, nachdem sie sich fünf Minuten mit der Verpackung vertraut machen durften. Nur solche Verpackungen, bei denen sowohl die Anforderungen im Kinder- als auch im Seniorentest erfüllt wurden, entsprechen der Norm und sind zertifizierungsfähig. Die Anforderungen der Normen für kindergesicherte Verpackungen spiegeln deren Zielrichtung wider. Es wird davon ausgegangen, dass Verpackungen , die sich von Kindern im Alter von 42 bis 51 Monaten nicht öffnen lassen, auch bei denjenigen Kleinkindern Wirkung zeigen, die von Vergiftungsunfällen am häufigsten betroffen sind; dies ist insbesondere die Altersgruppe zwischen 30 und 42 Monaten. Gleichzeitig muss aber auch die einwandfreie Handhabbarkeit durch Erwachsene möglich sein, da nur eine Verpackung, die durch Erwachsene problemlos geöffnet und verschlossen werden kann, im Fall eines Falles auch kindergesichert verschlossen bleibt.

Prüfung und Zertifizierung

Die Prüfung und Zertifizierung von kindergesicherten Verpackungen erfolgt durch unabhängige Institute, die nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen akkreditiert sind.Lediglich ein Zertifikat entsprechend der jeweiligen internationalen Norm für kindergesicherte Verpackungen ist ein Beleg für die beabsichtigte richtige Funktion der Verpackung und wird von Industrie, Behörden und Gesellschaft gleichermaßen anerkannt.

Rechtliche Grundlagen für die Verpackung von Arzneimitteln in Deutschland

Die gesetzlichen Grundlagen zur kindergesicherten Verpackung von Arzneimitteln bestehen in Deutschland aufgrund der Auflagenbefugnis der obersten Bundesbehörde laut § 28 Arzneimittelgesetz (AMG) sowie § 12 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Diese ermöglicht es, in Deutschland Anordnungen zu erlassen, nach denen Arzneimittel, von denen bei unkontrollierter Einnahme eine gewisse Gefahr für die Gesundheit von Kleinkindern ausgeht, kindergesichert zu verpacken sind. Auf dieser Grundlage bestehen derzeit Bestimmungen, nach denen mehrere hundert Wirkstoffe in Deutschland in der Regel nur kindergesichert verpackt verkauft werden dürfen. Darüber hinaus werden Arzneimittel im Rahmen der Neuzulassung individuell hinsichtlich der Notwendigkeit einer kindergesicherten Verpackung geprüft. Fallen Arzneimittel in Deutschland oder Europa unter die Regelungen der kindergesichert zu verpackenden Produkten, so müssen die Verpackungen entweder der Norm ISO 8317 (2003) für die wiederverschließbaren kindergesicherte Verpackungen oder der EN 14375 (2003) für die nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte (früher DIN 55559) entsprechen. Die Übereinstimmung der Eigenschaften einer Verpackung mit den Anforderungen der Norm bestätigen
Unabhängige Prüfinstitute, die als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen nach EN 45011 akkreditiert sind, durch die Vergabe eines Zertifikates.

Internationale Normen und Rechtsquellen im Vergleich

Die Normen für kindergesicherte Verpackungen ISO 8317 und EN 14375 sind weltweit (mit Ausnahme der USA) anerkannt. Die Anforderungen an die Verpackungen sind also im Wesentlichen international vergleichbar. Spiegelt man hingegen die gesetzlichen Bestimmungen zur kindergesicherten Verpackung von Arzneimitten weltweit, so lassen sich länderspezifische Unterschiede vor allem bei der Art der kindergesichert zu verpackenden Wirkstoffe erkennen. Es bestehen hier sehr unterschiedliche Regelungen, die durch voneinander abweichende Wirkstofflisten in einigen Staaten, der völligen Abwesenheit von Auflagen in anderen Ländern, bis hin zum nahezu vollständigen verpflichtenden Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel z.B. in den USA (vgl. USCFR§1700.15) reichen.
Für international tätige pharmazeutische Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ausgesetzt sehen, die für einige Produkte den Einsatz kindergesicherter Verpackungen verlangen, aber für andere Fälle nicht. Aus diesem Grund ist die Verwendung gerade hier besonders wichtig, um der Vielfalt nationaler Regelungen im internationalen Vergleich verantwortungsvoll auf richtige Weise zu entsprechen. Bei den Normen für kindergesicherte Verpackungen sind für Arzneimittel neben der Iso 8317 sowie der EN 14375 insbesondere die leicht abweichenden US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR §1700.20
(für wiederverschließbare und nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen ) zu beachten, welche bei der Zulassung und dem Vertrieb in den Vereinigten Staaten belegt werden müssen

Für international tätige pharmazeutische Unternehmen die sich einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ausgesetzt sehen, ist die Verwendung von hochwertigen zertifizierten kindergesicherten Verpackungen besonders wichtig, um der Vielfalt nationaler Regelungen im internationalen Vergleich richtig zu begegnen.

Barrieren auf dem Weg zur Kindersicherheit

Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs 2kindergesicherte Verpackungen“ für pharmazeutische Produkte gibt es immer wieder Missverständnisse, die nach Aufklärung und Korrektur verlangen.So kommt es beispielweise vor, dass bestimmte Deckfolien zum Aufbau vom Blisterverpackungen für Arzneimittel als kindergesichert bezeichnet werden. Dieser Vorstellung folgend wird dann der Schluss gezogen, dass alle Blisterverpackungen, die unter Verwendung der vermeintlichen Folie produziert werden, kindergesichert seien. Diese Vorstellung ist falsch. Es ist durchaus möglich, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie und den darin verpackten Tabletten die Anforderungen der EN 14375 erfüllt, dass die gleiche Deckfolie kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch keinesfalls kindersicher ist. Die richtige kindergesicherte Funktionsweise einer Blisterverpackung ergibt sich erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Einflußgrößen, wie z. B. die Eigenschaften der Deckfolie (Material, Festigkeit, Flexibilität etc.), die Eigenschaften der Formfolien (Material, Größe und Form der Kavitäten etc.), aber auch weitere Einflüsse wie z. B. das Vorhandensein einer Perforation. Ein Blister aus identischen Materialien kann lediglich durch eine Variation der Größe der Kavitätiven die Anforderungen der EN 14375 erfüllen und zertifizierfähig sein und in anderen Fällen nicht.

Nur vollständige Verpackungen können als kindergesichert geprüft und zertifiziert werden!

Das Gleiche gilt im Umkehrschluss für eine Veränderung der Größe von abgepackten Tabletten. Sobald die Kavitäten eines Blisters deutlich größer sind als die verpackten Tabletten, wird es auch bei vergleichsweise stabilen Deckfolien Kleinkindern leicht möglich sein, diese mit den Fingernägeln durchzudrücken. In diesen Fällen endet dann auch jede Kindersicherheit. Für das Design kindergesicherter Blisterverpackungen folgt daraus, dass jeder Blister eine aufeinander abgestimmte Einheit aus Deckfolie, Formfolie, Geometrie und verpackter Tabletten darstellt, wobei deren Zusammenwirken Berücksichtigung finden muss. Schließlich bedeutet dies für die Prüfung und Zertifizierung nach EN 14375, das diese nur für eine einzelne als Einheit definierte Verpackung erfolgen kann; nur für diese kann die kindergesicherte Funktionsweise belegt werden. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse ist nicht möglich. Daher gibt es auch keine grundsätzlich kindergesicherten oder zertifizierten Deckfolien. Ein ähnliches Problem besteht für wiederverschließbare Verpackungen, die aus einer Flasche und einem Verschluss bestehen, der zum Öffnen hinunter gedrückt werden muss. Geprüft und auf Kindersicherheit nach ISO 8317 zertifiziert werden kann nur eine vollständige Verpackung bestehend aus Verschluss und Flasche. Je nach Größe und Form einer Flasche ist es Kleinkindern mehr oder weniger leicht möglich, diese Verpackungen zu öffnen. Auch Materialeigenschaften der Flasche ( z. B. Glas oder PET) können die Eigenschaften einer wiederverschließbaren kindergesicherten Verpackung in die eine oder andere Richtung positiv oder negativ beeinflussen und müssen Berücksichtigung finden. Allerding bietet die ISO 8317 die Möglichkeit, eine Prüfung der Gesamtheit der möglichen Kombinationen aus Verschluss und unterschiedlichen Flaschenvolumen zu reduzieren, wenn die Verpackung (bestehend aus Verschluss und Behälter) die Anforderung der ISO 8347 in der kleinsten und der größten verfügbaren Volumengröße erfüllt. Bei der Zertifizierung von solchen „Verpackungsfamilien“ gelten dann die Volumen innerhalb des geprüften Volumenintervalls als ebenfalls zertifiziert und als normenkonform.

Frühzeitige Planung bei der Produktion

Bei der Verpackung von Arzneimitteln sollten Hersteller und Verpacker das Thema Kindersicherheit frühzeitig berücksichtigen und diesem auf verantwortungsvolle Art und Weise begegnen. In der Regel ist eine kindergesicherte Verpackung dann auf leichte und günstige Weise zu erreichen. Es bestehen diverse Möglichkeiten bei der Entwicklung von wiederschließbaren und auch von nicht wiederverschließbaren kindergesicherten Verpackungen. Die Komplexität des Aufbaus von kindergesicherten Blisterverpackungen sollte nicht unterschätzt werden. Vorteilhaft ist es, im Rahmen der Planung durch unterschiedliche Varianten einen gewissen Handlungsspielraum zu erhalten. Die Frage, ob die Verpackung in der kritischen Situation auch die gewollte Sicherheitsfunktion erfüllt, darf nicht dem Zufall überlassen werden. Dazu sind die möglichen Folgen für Verbraucher zu weitreichend. Daher führt an der Prüfung und Zertifizierung der für ein Arzneimittel individuell gestalteten kindergesicherten Verpackung kein Weg vorbei.

Zukunft kindergesicherter Verpackungen

Der Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für Arzneimittel wird auch in den nächsten Jahren überdurchschnittlich zunehmen. Dies liegt sowohl an der Zunahme von Regelungen, die den Einsatz verbindlich machen (vgl. z. B. TGO 80 aus Australien), deren zu erwartender internationaler Harmonisierung als auch an der zugenommenen Sensibilisierung für das Thema. Diese Entwicklung veranlassen die Entscheidungsträger zu proaktivem Handeln. In vielen Fällen ist ein breiter Einsatz kindergesicherter Verpackungen bei Produktion und Vermarktung bestimmter Produktgruppen mit deutlich weniger Aufwand und Kosten verbunden als eine spätere reaktive Anpassung im Einzelfall. Immer häufiger wird der Wechsel von Verpackungen oder bestimmten Verpackungskomponeten Wie z. B. Verschlüssen oder Deckfolien für Blister – zu organisieren sein. Die zunehmende Bedeutung von kindergesicherten Verpackungen führt aber auch zu neuen Lösungen, wie z. B. Verschlusstopfen für Röhrenverpackungen, Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Auch die Anforderungen, welche die Normen an kindergesicherte Verpackungen stellen, werden sich verändern. Insbesondere bei Blisterverpackungen ist in Zukunft mit höheren Sicherheitsniveaus zu rechnen. Diese Entwicklung spricht für einen zunehmenden Einsatz von Blisterverpackungen, die über komplexere Öffnungsmechanismen wie z. B, Peel-Push-Blister verfügen. Neue kindergesicherte Verpackungen werden aber zugleich durch den veränderten demographischen Aufbau und die Berücksichtigung der leichten Handhabbarkeit durch Erwachsene geprägt sein. Aufgrund der Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung ist es wichtig, auch für diese eine bequeme Benutzung kindergesicherter Verpackungen zu ermöglichen, wenngleich der Sicherheitsaspekt weiterhin Vorrang hat.