Die Quadratur des Kreises

Austropack 04-2011

Die Handhabung von Verpackungen ist bei keinen beiden anderen Personengruppen ein so wichtiges Thema wie bei Kindern und Senioren. Dr. Horst Antonischki vom ivm beschäftigt sich mit diesem generationenübergreifenden Thema.

Dr. Antonischki, eine Verpackung soll zugleich kindersicher aber auch seniorenfreundlich sein. Wie findet man da einen Konsens?

„ Das ist die sprichwörtliche Quadratur des Kreises. Es ist zwar einfach, eine Verpackung so zu konstruieren, dass sie ein kleines Kind nicht öffnen kann. Meist können es ältere Menschen dann aber auch nicht. Damit wäre das Ziel verfehlt, denn die Voraussetzung für ein Zertifizierung nach den gängigen Normen für kindergesicherte Verpackungen sind beide Aspekte: Kindersicherheit sowie Erwachsenenfreundlichkeit. „Design for all“ muss die Lösung lauten. Kleine Kinder sind kognitiv noch nicht in der Lage, zwei koordinierte Bewegungen auszuführen. Dennoch verfügen sie oft über erstaunlich viel Kraft, die es nicht zu unterschätzen gilt. Senioren hingegen sind meist kognitiv durchaus in der Lage, Öffnungsprinzipen zu erfassen. Es fällt ihnen jedoch schwer, die nötige Kraft aufzubringen. Ebenso lassen Feinmotorik und Feingefühl der Finger nach und Lese- sowie Farberkennungsfähigkeiten werden geringer. Die Lösung besteht deshalb in Verschließsystemen, die mit wenig Kraftaufwand aber viel „Trick“ zu überwinden sind.

Wie gehen Verpackungshersteller mit diesem Thema um?

„Obwohl dieser „Trick“ zahlreiche Möglichkeiten eröffnet, finden sich auf dem europäischen Markt hauptsächlich die Standardlösungen: Hinunterdrücken und Drehen sowie seitliches Drücken und Drehen. Anders als in den USA wird hierzulande zuerst der mit kindergesicherten Verpackungen einhergehende Aufwand gesehen. Die Chance zur Differenzierung und die Profilierungsmöglichkeiten beim Endkunden scheinen außer Acht gelassen zu werden.
 

Wie kindersicher sind Arzneimittel-Verpackungen wirklich?

Pack Report 10-2009

Zertifizierung sorgt für hohe Sicherheit

Nach Expertenmeinung vergiften sich in Deutschland im Haushalt jedes Jahr über 90.000 Kinder – vor allem Kleinkinder unter fünf Jahren. Viele von ihnen an Medikamenten. Was können Pharma- und Verpackungsindustrie tun, um diese Unfälle zu vermeiden? Die Lösung: Verpackungen entwickeln, die wirklich sicher sind – und dies auch mit einem Zertifikat belegen.

Auch wenn Eltern noch so sehr aufpassen, einige Gefahrenquellen lassen sich trotzdem nicht vollkommen ausschließen: Ein neugieriger Blick in die Einkaufstasche, ein schneller Griff – und schon verschwindet die Tablettenverpackung in geschickten Kinderhänden. Obwohl Medikamente immer gut „versteckt“ oder in abgeschlossenen oder für Kinder schwer zugänglichen Schränken aufbewahrt werden sollten – diese Vorsichtsmaßnahmen allein reichen nicht aus. Denn die Gefahren lauern häufig auch außerhalb der eigenen vier Wände: Die offene Medikamentenverpackung bei den Großeltern, die Hustensaftflasche bei Freunden. Erst im Juni mussten 22 Kinder eines Kindergartens ins Krankenhaus, weil sie von den schönen bunten Pillen aus der hübschen Schachtel „genascht“ hatten, die ein Gast in der Garderobe aus seinem Mantel verloren hatte. Wäre es für Eltern da nicht ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass Pharma- und Verpackungsindustrie alles daran setzen, ihren Kindern das Öffnen von Verpackungen so schwer wie möglich zu machen? Egal, um welche Medikamente es sich handelt? Jedoch können nur geprüfte und zertifizierte Verpackungen diese hohe Sicherheit garantieren. Diesen Nachweis erbringen so genannte Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen: Das 1975 gegründete ivm Institut VerpackungsMarktforschung GmbH (www.ivm-childsafe.de) ist heute europaweit eines von nur wenigen akkreditierten Instituten. Das Braunschweiger Unternehmen sorgt mit einem hohen Qualitätsstandard dafür, dass geprüfte Kindersicherungen weltweit akzeptiert werden. Zu den Kunden des Institutes zählen mittlerweile weltbekannte Unternehmen wie Bayer, Novartis, Ratiopharm, Boehringer-Ingelheim, Pfizer und viele mehr.

Um vom ivm–Institut nach der entsprechenden Norm zertifiziert zu werden, bedarf es einer Reihe von Tests. Damit die Ergebnisse so aussagekräftig wie möglich ausfallen, arbeitet das ivm beispielsweise regelmäßig mit Kindergärten zusammen. Hier überprüfen die Kleinen selbst, ob die kindergesicherten Verpackungen auch wirklich halten, was sie versprechen. Für einen dieser Tests versuchen Kleinkinder im Alter zwischen 42 und 51 Monaten fünf Minuten lang eine wiederverschließbare Verpackung zu öffnen – ohne, dass es ihnen vorher gezeigt oder erklärt wurde. Dabei überraschen die Mädchen und Jungen mit ungeahntem manuellen Geschick. Scheitern sie, bekommen sie den Öffnungsvorgang demonstriert. Dann dürfen sie es noch einmal fünf Minuten lang ausprobieren. Eine Packung gilt dann als kindergesichert, wenn es mindestens 80 Prozent einer Gruppe von bis zu 200 Kindern in zehn Minuten nicht gelingt, eine Packung zu öffnen oder an den Inhalt zu kommen. Kinder sind pfiffig und lernen schnell. Aus diesem Grund darf ein Kind an nicht mehr als zwei Prüfungen im Jahr teilnehmen. Zwischen den Tests muss außerdem mindestens eine Woche liegen.
Da Kinder unterschiedlich große Packungen auch unterschiedlich handhaben, ist ein guter Verschluss auf einer Flasche mit 100 ml noch lange kein Garant für Kindersicherheit bei einem Behälter mit 1000 ml. Da sie die kleine Flasche besser halten können als die große, haben sie mehr Kraft für den Verschluss – und schon ist er offen. Daher müssen bei einer Verpackungsfamilie sowohl der kleinste als auch der größte Behälter geprüft werden; die Zwischengrößen geltend dann als mitzertifiziert.

Aktuelle Entwicklung

Gemeinsam mit der Verpackungsindustrie konzipieren Pharmaunternehmen seit einiger Zeit Arzneimittelverpackungen, die Kinder – im Bestfall – nicht öffnen können. Sehr häufig werden beispielsweise Verschlüsse, z.B. für Hustensaft, eingesetzt, die nur durch gleichzeitiges Drücken und Drehen zu öffnen sind. Für Kinder ist dies schwer zu verstehen, außerdem fehlt ihnen die dazu nötige Koordinationsfähigkeit. Aber auch viele andere Systeme werden erfolgreich eingesetzt wie beispielsweise: Blister im Peel-, im Push- oder im Peel-Push-Verfahren. Interessanterweise öffnen Kinder Blisterpackungen sehr oft anders als Erwachsene: Während Erwachsene die Pillen zunächst herausdrücken wollen, versuchen Kleinkinder überwiegend durch „kratzen“ oder „pulen“ die Deckfolie zu entfernen. Daher bieten mehrschichtige Folien eine höhere Sicherheit, bei denen zunächst die oberste, schwer zu durchdringende Folie abgezogen wird, um dann die Pille durch die dünne Unterfolie, die allerdings auch mehrschichtig sein kann, herausdrücken zu können. Während eine normale Durchdrückfolie aus Aluminium nur eine Stärke von 20 µm auffweisen und mit Heißsiegellack beschichtet ist, sind Folien für kindergesicherte Blisterverpackungen deutlich aufwendiger und haben oft eine ergänzende PVC-Folie auf der Innenseite und halten so auch größeren Belastungen stand. Beim Dial-Blister kann die Kapsel erst dann herausgedrückt werden, wenn der Blister in die richtige Position gedreht wurde. Beim so genannten Slide-Blister ist der Blister auf der Oberseite einer Pappkarte fixiert. Auf der Rückseite befindet sich zwischen Blister und Papprückwand eine bewegliche Plastikscheibe. In der Grundposition der Plastikscheibe ist diese gegen den Blister verschoben und verhindert so das Herausdrücken.

Mit der richtigen Wahl der Folie ist schon der erste Schritt in Richtung Kindersicherheit getan. Von diesem ersten Schritte bis zu einer Verpackung, die auch als geprüft und kindergesichert zertifiziert werden kann, ist der Weg jedoch noch weit. Dr. Rolf Abelmann, ivm: „Um das Ziel der Kindersicherheit problemlos zu erreichen, ist es wichtig – sowohl auf Seiten der Verpackungshersteller als auch bei Abfüllern und Pharmaunternehmen – bereits in der Planungsphase mit Zertifizierungs-Experten zusammenzuarbeiten“. Das sei auch weniger aufwändig, als wenn eine Verpackung bereits fertig entwickelt wurde – um hinterher festzustellen, dass sie gewissen Ansprüchen nicht genügt. Eine spätere Anpassung kann häufig zu einer kostenintensiven Angelegenheit werden.

Sichere Lösungen verfügbar

Wer allerdings der Meinung ist, eine Blisterverpackung ist wegen des Einsatzes bestimmter Folien per se sicher, der liegt falsch. Es ist denkbar, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie kindersicher ist; kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch nicht. Daher gibt es auch keine grundsätzlich kindergesicherte oder zertifizierte Deckfolie. Die sichere Funktion einer Blisterverpackung entsteht erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren wie Material, Festigkeit, Flexibilität etc. Insbesondere bei dieser Art der Verpackung ist in Zukunft mit einem noch höheren Sicherheitsniveau zu rechnen, d.h. der Trend geht teilweise hin zu noch komplexeren Öffnungsmechanismen als bei Peel-Push-Blistern.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Lösungen für kindergesicherte Pharmaverpackungen wie Verschlussstopfen für Röhrenverpackungen, die brieftaschenartige Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Ein großer Faltschachtelhersteller hat eine Schachtel entwickeln, die durch einen Trickverschluss besonders kindersicher ist: Die Faltschachtel öffnet sich nur dann, wenn zwei dunkelblau gekennzeichnete Punkte gleichzeitig gedrückt werden. Die Kindersicherung ist damit bereits bei der Umverpackung gegeben.

Andere Länder, andere Regeln

In Deutschland müssen Arzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen, die für Kinder gefährlich werden können, nach Paragraph 28 Arzneimittelgesetz kindersicher verpackt werden. Dr. Rolf Abelmann: „Allerdings wäre eine Orientierung unserer Bestimmungen an denen der USA wünschenswert. Denn die aktuellen Anordnungen bei uns aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Leider sind noch zu viele Verpackungen nicht geprüft und zertifiziert – und damit nicht kindergesichert“.
Im Vergleich dazu ist dies in den USA nahezu bei allen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Fall. Ein anschauliches Beispiel für unterschiedliche Bestimmungen und Normen zwischen USA/Deutschland liefert die Blisterverpackung: So gilt sie in Deutschland als kindersicher, wenn es den Kleinkindern nicht gelingt, nacheinander mehr als acht Kapseln herauszunehmen. Die Statistiken zeigen jedoch, dass auch weniger als acht Tabletten ausreichen, um Kinder ernsthaft krank werden zu lassen. In den USA beschäftigt man sich bereits seit vielen Jahrzehnten mit dieser Thematik. Schon 1970 wurde dort die »Poisons Prevention Packaging Act« (PPPA), das Gesetz zur Verhinderung von Vergiftungen durch Verpackung, eingeführt. Basis dafür war eine Studie, die belegte, dass durch das Prinzip „Drücken und Drehen“ die Zahl der Vergiftungen von 183 auf 24 gesenkt werden konnte. Statistiken seit Anfang der 70er Jahre belegen einen Rückgang der Todesfälle durch Vergiftungen in den USA um mehr als 80 Prozent. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Verbraucherschutzmaßnahmen mittlerweile etwa 1.000 Kleinkindern das Leben gerettet haben.

Für international tätige Unternehmen bedeuten diese von Land zu Land unterschiedlichen Gesetze und Normen gewisse Orientierungsschwierigkeiten. Hier stellt sich die Frage, wie sie den spezifischen Anforderungen einzelner Länder gerecht werden können. Da die meisten Hersteller von pharmazeutischen Produkten mit der Zunahme der Globalisierung auch den US-amerikanischen Markt im Auge haben, ist hier jedoch eine Verbesserung in Sicht.

Fazit: Sehr viele Arzneimittel sind für Kleinkinder so gefährlich, dass eine kindergesicherte Verpackung erforderlich ist. Die mangelnde Kennzeichnung zertifizierter Verpackungen kann zu gefährlichen Situationen führen. Denn auch die bereits erwähnten Drück-/Drehverschlüsse sind nur dann wirklich sicher, wenn sie von einem neutralen Institut geprüft und zertifiziert sind; alles andere sind „Mogelpackungen“.
Um Pharmaverpackungen für Blinde und Sehbehinderte sicher zu machen, wurde eigens ein Gesetz ins Leben gerufen, nach dem die Pharma-Verpackungen mit der so genannten Braille-Schrift versehen werden müssen. Neues Beispiel: Das Logo „Ohne Gentechnik“, das auf Lebensmittel-Verpackungen angebracht werden soll. Ist es da nicht naheliegend, Verpackungen wirklich gefährlicher Produkte mit der Zertifizierung „kindergesichert“ zu versehen? Damit die Eltern auf einen Blick erkennen können: Diese Verpackung ist nicht nur „theoretisch“ kindersicher!

Hier die wichtigsten Normen auf einen Blick:

ISO 8317 für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen

DIN EN 862 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für nicht pharmazeutische Produkte

DIN EN 14375 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte

Diese Normen sind nahezu – mit Ausnahme der USA – weltweit anerkannt
Im Vergleich dazu in den USA: US 16 CFR § 1700.20, unabhängig von der Art der zu verpackenden Produkte (pharmazeutisch oder nicht pharmazeutisch) und des Verschlusssystems (wiederverschließbar oder nicht wieder verschließbar)

DIN EN 45011 für Zertifizierungsstellen: Institute die kindergesicherte Verpackungen prüfen und zertifizieren müssen dieser Norm entsprechen.

 

Vorbeugen ist besser als heilen

neue verpackung 10-2009

Nicht jede kindergesicherte Pharma-Verpackung ist auch das, was sie verspricht: Nämlich nicht von Kinderhand zu öffnen. Aber wann können sich Eltern darauf verlassen, dass die geschickten kleinen Hände ihrer Kinder tatsächlich nicht an den gefährlichen Inhalt der Verpackung kommen? Und wann ist eine angeblich kindergesicherte Verpackung nur eine „Mogelpackung“?

Nach Expertenmeinung vergiften sich in Deutschland im Haushalt jedes Jahr über 90.000 Kinder – vor allem Kleinkinder unter fünf Jahren. Viele von ihnen an Medikamenten, denn für Kinder sehen Dragees aus wie bunte Bonbons. Und da sie gerade in der ersten Zeit ihres Lebens ihre Umwelt durch Lutschen und Kauen entdecken und vieles in den Mund stecken, kommt es schnell zu gefährlichen Situationen mit traumatischen und dramatischen Folgen. Obwohl Medikamente immer gut „versteckt“ oder in abgeschlossenen oder für Kinder schwer zugänglichen Schränken aufbewahrt werden sollten – diese Vorsichtsmaßnahmen allein reichen nicht aus. Denn die Gefahren lauern häufig auch außerhalb der eigenen vier Wände: Die offene Medikamentenverpackung bei den Großeltern, die Hustensaftflasche bei Freunden.

Was können Pharma- und Verpackungsindustrie also tun, um diese Unfälle zu vermeiden? Die Lösung: Verpackungen entwickeln, die wirklich sicher sind – und dies auch mit einem Zertifikat belegen, denn nur geprüfte und zertifizierte Verpackungen können eine hohe Sicherheit garantieren. Diesen Nachweis erbringen so genannte Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen. Das 1975 gegründete ivm Institut VerpackungsMarktforschung GmbH (www.ivm-childsafe.de) ist europaweit eines der wenigen akkreditierten Institute. Das Braunschweiger Unternehmen sorgt mit einem hohen Qualitätsstandard dafür, dass geprüfte Kindersicherungen weltweit akzeptiert werden. Zu den Kunden des Institutes zählen mittlerweile weltbekannte Unternehmen wie Bayer, Novartis, Ratiopharm, Boehringer-Ingelheim, Pfizer und viele mehr.

Aber welche Medikamente müssen eigentlich kindergesichert verpackt werden? Welches sind überhaupt geeignete kindergesicherte Verpackungen? Welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Welche Normen gelten in Deutschland und in anderen Ländern?
In Deutschland müssen Arzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen, die für Kinder gefährlich werden können, nach Paragraph 28 Arzneimittelgesetz kindersicher verpackt werden. Im Vergleich dazu ist dies in den USA nahezu bei allen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Fall. Dr. Rolf Abelmann, ivm: „Allerdings wäre eine Orientierung unserer Bestimmungen an denen der USA wünschenswert. Denn die aktuellen Anordnungen bei uns aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Leider sind noch zu viele Verpackungen nicht geprüft und zertifiziert – und damit nicht kindergesichert“.

Innovative Verschlüsse machen es Kinderhänden schwer

Gemeinsam mit der Verpackungsindustrie entwickeln Pharmaunternehmen seit einiger Zeit Arzneimittelverpackungen, die Kinder – im Idealfall – nicht öffnen können. Sehr häufig werden beispielsweise Verschlüsse, z.B. für Hustensaft, eingesetzt, die nur durch gleichzeitiges Drücken und Drehen zu öffnen sind. Für Kinder ist dies schwer zu verstehen, außerdem fehlt ihnen die dazu nötige Koordinationsfähigkeit. Aber auch viele andere Systeme werden erfolgreich eingesetzt, wie beispielsweise Blister im Peel-, im Push- oder im Peel-Push-Verfahren. Interessanterweise öffnen Kinder Blisterpackungen sehr oft anders als Erwachsene: Während Erwachsene die Pillen zunächst herausdrücken wollen, versuchen Kleinkinder überwiegend durch „kratzen“ oder „pulen“ die Deckfolie zu entfernen. Daher bieten mehrschichtige Folien eine höhere Sicherheit, bei denen zunächst die oberste, schwer zu durchdringende Folie abgezogen wird, um dann die Pille durch die dünne Unterfolie, die allerdings auch mehrschichtig sein kann, herausdrücken zu können. Während eine normale Durchdrückfolie aus Aluminium nur 20 µm dick und mit Heißsiegellack beschichtet ist, sind Folien für kindergesicherte Blister aufwendiger, haben zusätzlich eine PVC-Folie auf der Innenseite und halten daher größeren Belastungen stand.

Beim Dial-Blister kann die Kapsel erst dann herausgedrückt werden, wenn der Blister in die richtige Position gedreht wurde. Beim so genannten Slide-Blister ist der Blister auf der Oberseite einer Pappkarte fixiert. Auf der Rückseite befindet sich zwischen Blister und Papprückwand eine bewegliche Plastikscheibe. In der Grundposition der Plastikscheibe ist diese gegen den Blister verschoben und verhindert so das Herausdrücken.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Lösungen für kindergesicherte Pharmaverpackungen wie Verschlussstopfen für Röhrenverpackungen, die brieftaschenartige Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Ein großer Faltschachtelhersteller hat eine Schachtel entwickeln, die durch einen Trickverschluss besonders kindersicher ist: Die Faltschachtel öffnet sich nur dann, wenn zwei dunkelblau gekennzeichnete Punkte gleichzeitig gedrückt werden. Die Kindersicherung ist damit bereits bei der Umverpackung gegeben.

Von Kindern getestet

Wer der Meinung ist, eine Blisterverpackung ist per se sicher, der irrt. Es ist durchaus möglich, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie kindersicher ist; kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch nicht. Und auch nicht jeder Drück-/Dreh-Verschluss ist kindergesichert – und somit wirklungslos, eine „Mogelpackung“. Um dies wirklich zu gewährleisten bedarf es der Prüfung und Zertifizierung durch die Zertifizierungsstelle. Damit eine Verpackung das Prädikat „kindergesichert“ vom ivm verliehen bekommt, muss sie eine Reihe von Tests durchlaufen. Damit die Ergebnisse so aussagekräftig wie möglich ausfallen, arbeitet das ivm beispielsweise regelmäßig mit Kindergärten zusammen. Hier überprüfen die Kleinen selbst, ob die kindergesicherten Verpackungen auch wirklich halten, was sie versprechen.

Für einen dieser Tests versuchen Kleinkinder im Alter zwischen 42 und 51 Monaten fünf Minuten lang eine wiederverschließbare Verpackung zu öffnen – ohne, dass es ihnen vorher gezeigt oder erklärt wurde. Dabei überraschen die Mädchen und Jungen mit ungeahntem manuellen Geschick. Scheitern sie, bekommen sie den Öffnungsvorgang demonstriert. Dann dürfen sie es noch einmal fünf Minuten lang ausprobieren. Eine Packung gilt dann als kindergesichert, wenn es mindestens 80 Prozent einer Gruppe von bis zu 200 Kindern in zehn Minuten nicht gelingt, eine Packung zu öffnen oder an den Inhalt zu kommen. Kinder sind pfiffig und lernen schnell. Aus diesem Grund darf ein Kind an nicht mehr als zwei Prüfungen im Jahr teilnehmen. Zwischen den Tests müssen außerdem mindestens zwei Wochen liegen. Darüber hinaus müssen in einer Prüfgruppe von 100 Senioren im Alter von 50 bis 70 Jahren mindestens 90 Prozent in der Lage sein, die Verpackung innerhalb einer Minute zu öffnen und ggf. wieder richtig zu verschließen, nachdem sie sich fünf Minuten mit der Verpackung vertraut gemacht haben.

Für Senioren geeignet

Da Kinder unterschiedlich große Packungen auch unterschiedlich handhaben, ist ein guter Verschluss auf einer Flasche mit 100 ml noch lange kein Garant für Kindersicherheit bei einem Behälter mit 1000 ml. Da sie die kleine Flasche besser halten können als die große, haben sie mehr Kraft für den Verschluss – und schon ist er offen. Daher müssen bei einer Verpackungsfamilie sowohl der kleinste als auch der größte Behälter geprüft werden; die Zwischengrößen geltend dann als mitzertifiziert.

Normen – von Land zu Land unterschiedlich

In Deutschland gelten eine Reihe von Normen, die – teils mit Abweichungen in den USA – weltweit anerkannt sind: Die ISO 8317 gilt für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen, die DIN EN 862 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für nicht pharmazeutische Produkte und die DIN EN 14375 für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte. Im Vergleich dazu gilt in den USA eine Norm (US 16 CFR § 1700.20), die unabhängig von der Art der zu verpackenden Produkte (pharmazeutisch oder nicht pharmazeutisch) und des Verschlusssystems (wiederverschließbar oder nicht wieder verschließbar) ist.

Wichtig: Nur Institute, die der Norm DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen entsprechen sind berechtigt und anerkannt, die Konformität der Verpackungen mit den aufgeführten Normen durch ein Zertifikat zu bestätigen.

Ein anschauliches Beispiel für unterschiedliche Bestimmungen und Normen zwischen USA/Deutschland liefert die Blisterverpackung: So gilt sie in Deutschland als kindersicher, wenn es den Kleinkindern nicht gelingt, nacheinander mehr als acht Kapseln herauszunehmen. Die Statistiken zeigen jedoch, dass auch weniger als acht Tabletten ausreichen, um Kinder ernsthaft krank werden zu lassen. In den USA beschäftigt man sich bereits seit vielen Jahrzehnten mit dieser Thematik. Schon 1970 wurde dort die »Poisons Prevention Packaging Act« (PPPA), das Gesetz zur Verhinderung von Vergiftungen durch Verpackung, eingeführt. Basis dafür war eine Studie, die belegte, dass durch das Prinzip „Drücken und Drehen“ die Zahl der Vergiftungen von 183 auf 24 gesenkt werden konnte. Statistiken seit Anfang der 70er Jahre belegen einen Rückgang der Todesfälle durch Vergiftungen in den USA um mehr als 80 Prozent. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Verbraucherschutzmaßnahmen mittlerweile etwa 1.000 Kleinkindern das Leben gerettet haben.

Diese von Land zu Land unterschiedlichen Gesetze und Normen sind für international tätige Unternehmen mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Da mit der Zunahme der Globalisierung die meisten Hersteller von pharmazeutischen Produkten auch den US-amerikanischen Markt im Auge haben, ist hier jedoch eine Verbesserung in Sicht.
Unabhängig von nationalen oder internationalen Normen steht ein wichtiger Aspekt im Vordergrund: „Um das Ziel der Kindersicherheit zu erreichen, ist es wichtig – sowohl auf Seiten der Verpackungshersteller als auch bei Abfüllern und Pharmaunternehmen – bereits in der Planungsphase mit Zertifizierungs-Experten zusammenzuarbeiten“, so Dr. Rolf Abelmann. Eine spätere Anpassung könne sonst zu einer kostenspieligen Angelegenheit werden.

Zusammenfassend muss darauf hingewiesen werden, dass sehr viele Arzneimittel für Kleinkinder so gefährlich sind, dass eine kindergesicherte Verpackung unbedingt erforderlich ist. Kindergesichert bedeutet aber nur dann wirklich sicher vor Kinderhänden, wenn Verpackung und Verschluss von einem neutralen Institut geprüft und zertifiziert sind. 

Wichtige Normen für kindergesicherte Pharmaverpackungen im Überblick:

ISO 8317 (2003)

Die ISO 8317 (2003) [entspricht DIN EN ISO 8317 (2004)] ist die internationale Norm für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen. Sie findet sowohl im Bereich der pharmazeutischen als auch für chemisch-technische Produkte Anwendung. Da in diese Gruppe auch die größte Anzahl verfügbarer kindergesicherter Verpackungen fällt, ist sie die wichtigste Norm. Die Norm beschreibt zwei Prüfverfahren, welche die zu testenden Verpackungen zu durchlaufen haben. In einem Test mit einer Gruppe von bis zu 200 Kleinkindern im Alter zwischen 42 und 51 Monaten dürfen diese nicht in der Lage sein, die mit einem ungefährlichen Ersatzstoff gefüllte Verpackung zu öffnen. Gleichzeitig muss eine Testgruppe von Senioren im Alter zwischen 50 und 70 Jahren in der Lage sein, die Verpackung problemlos zu öffnen. Nur Verpackungen, die sich sowohl als kindersicher im Test mit Kleinkindern als auch als geeignet für Senioren im Sinne der Norm erweisen, erfüllen die Anforderungen der ISO 8317 (2003).

Prüfung mit Kleinkindern im Alter zwischen 42 und 51 Monaten

Die Kinder haben während der Prüfung zunächst fünf Minuten Zeit, die Verpackung wie auch immer zu öffnen. Nach Ablauf dieser Zeit wird den Kindern der Öffnungsvorgang einmalig und ohne Erklärung demonstriert. Anschließend haben die Kinder weitere fünf Minuten Zeit, die Öffnung der Verpackung zu versuchen. Die Verpackung gilt als kindersicher, wenn innerhalb der ersten fünf Minuten maximal 15% der Kinder in der Lage sind, die Verpackung zu öffnen. Während der vollen Testdauer dürfen zudem höchsten 20% der Kinder an den Inhalt der Verpackung gelangen. Werden bei den Tests mit Kleinkindern lediglich sehr wenige Öffnungen festgestellt, so ist eine Reduzierung der Testgruppe auf weniger als 200 Kinder im Rahmen der sogenannten Sequentialauswertung möglich.

Prüfungen mit Senioren im Alter zwischen 50 und 70 Jahren

Während der Prüfung mit Senioren haben diese zunächst fünf Minuten Zeit, die Verpackung zu öffnen. Eine Demonstration findet nicht statt. In einem zweiten Durchlauf verbleibt den Senioren nur noch eine Minute für den Öffnungsversuch. Die Verpackung gilt als für Senioren geeignet, sofern mindestens 90% der Testgruppe in der Lage sind, die Verpackung zu öffnen und wieder richtig zu verschließen. Die Zusammensetzung der Testgruppe ist mit 100 Personen vorgegeben, von denen 25 Teilnehmer im Alter zwischen 50 und 54 Jahren, 25 Personen im Alter zwischen 55 und 59 Jahren sowie 50 Senioren zwischen 60 und 70 Jahren alt sein müssen. In jeder dieser Altersgruppen sollen 70% weiblich sein.

EN 14375 (2003)

Die EN 14375 (2003) [entspricht DIN EN 14375 (2004)] ist die europäische Norm für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte. Sie ist insbesondere als Ersatz für die DIN 55559 zu verstehen, die keine Anwendung mehr findet.
Diese Norm gilt insbesondere für Blisterverpackungen von Tabletten aber auch für Stickpacks oder Granulatbeutel. Wie bei der ISO 8317 bestehen die Anforderungen der EN 14375 aus zwei Überprüfungen, in denen sich Kleinkinder im Alter von 42 bis 51 Monaten außer Stande erweisen müssen, die Verpackung zu öffnen, Senioren im Alter zwischen 50 und 70 Jahren aber in der Lage sein sollen, die Verpackung zu öffnen.
Während die Testverfahren im Wesentlichen der ISO 8317 entsprechen (zweimal fünf Minuten Prüfdauer mit Kleinkindern sowie fünf plus eine Minute Testdauer mit Senioren), gibt es eine Besonderheit im Rahmen der Tests mit Kleinkindern. Hier gilt eine Verpackung erst dann im Sinne des Prüfverfahrens als geöffnet, sobald das jeweilige am Test teilnehmende Kind mehr als acht Einheiten der Verpackung entnommen hat. Wichtig ist hier der Hinweis, dass während des Tests den Kindern mindestens 10 Dosiseinheiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Vorstellung, dass ein Stickpack mit einer oder ein Blister mit weniger als neun Dosiseinheiten nicht kindergesichert sein müsse, ist daher falsch und kann gefährliche Folgen haben.

Wichtiger Hinweis: Ältere Zertifikate oder Gutachten entsprechend der früher gültigen Normen EN 862 (2001), DIN 55559 (1998), EN 28317 (1994) oder ISO 8317 (1989) sind nicht mehr verwendbar und müssen angepasst werden.

US 16 CFR § 1700.20

Die US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR § 1700.20 beschreiben das Prüfverfahren welches in den USA für kindergesicherte Verpackungen Anwendung findet. Die Bestimmungen gelten gleichermaßen für wiederverschließbare als auch für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen unabhänigig von der Art der verpackten Produkte. Das beschriebene Testverfahren ist denen der unter 1 und 2 beschriebenen Normen sehr ähnlich und besteht ebenfalls aus Tests mit Kleinkindern u und Senioren. Die sich ergebenden Unterschiede bestehen vor allem aus genaueren Anforderungen an die Zusammensetzung der zu prüfenden Stichproben und dem eingesetzten Prüfpersonal. Lediglich im Fall von nicht wiederverschließbaren Verpackungen für pharmazeutische Produkte weichen die Anforderungen deutlich von denen der EN 14375 ab.

Wichtig: In vielen Fällen kommt es vor, dass die amerikanischen Behörden Zertifikate entsprechend US 16 CFR § 1700.20 verlangen. Dies sollte bei der Prüfung und Zertifizierung von kindergesicherten Verpackungen frühzeitig berrücksichtigt werden.