Entschieden wird in den USA

neue verpackung 12-2008

Talk-im-Museum zum Thema Seniorenfreundlichkeit


Die Alten scheitern an nicht gewollten Hürden der Verpackung. Die Jungen erreichen kindlich-experimentell gefährliche Stoffe. Dabei sollen sich den KindernHindernisse in den Weg stellen und den Senioren bequeme Öffnungsmöglichkeiten anbieten. Die Diskussion im Verpackungsmuseum Heidelberg ergab: Die Seniorenfreundlichkeit steht erst am Anfang.

neue verpackung: Kindersicher und zugleich seniorenfreundlich gelten eigentlich als Standard bei der Verpackung kindergefährdender Stoffe. Die Realität sieht allerdings anders aus. Wo die ältere Generation Probleme bekommt, erreichen Kinder spielerisch den Inhalt. Klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander?

Dr. Horst Antonischki: Es ist sicherlich so, dass Kindersicherung und Altentauglichkeit in der Verpackung einander scheinbar widersprechen. Das muss aber nicht der Fall sein. Es gibt durchaus Lösungen, die beiden Seiten gerecht werden. Die geläufige Lösung bei Behältern –Drücken und Drehen – ist bereits 1946 entwickelt worden. Das Prinzip stammt aus den USA und hat das Ziel, Kinder durch Schwergängigkeit am Öffnen zu hindern. Es hat sich zumindest bei den Behältern für pharmazeutische Produkte sehr breit durchgesetzt und hat seine Funktionsfähigkeit bewiesen. Die Schwierigkeit liegt in der Regel bei der Seniorengerechtigkeit. Eine für beide Ziele brauchbare Lösung entsteht, zum Beispiel dadurch, dass der Druck-Dreh-Verschluss durch einen Bajonett-Verschluss oder eine Lösung, bei der zwei Symbole übereinandergestellt werden müssen, ersetzt wird. Aus der Industrie dagegen hören wir: Die Alten können mit dem Drück-Dreh-Verschluss am besten umgehen, weil sie ihn kennen. Unsere Erfahrung bei der Zertifizierung kindergesicherter Verschlüsse belegt: Die Senioren durchschauen den Trick bei den Öffnungsmechanismen durchaus. Es sind meist die motorischen Fähigkeiten, die sie daran hindern, eine Verpackung bequem öffnen zu können.

Meino Adam: Seniorengerechtigkeit ist für ein Pharma-Unternehmen schwer zu definieren. Diese Industrie orientiert sich Entschieden wird in den USA am Krankheitsbild und nicht ausschließlich über eine Altersphase.

Salvatore Santoro: Blister sind im Hinblick auf Kindersicherheit eigentlich prädestiniert, weil man immer nur eine Dosis entnehmen kann. Die Anforderungen an Kindersicherheit und Seniorenfreundlichkeit sind jedoch gegenläufig. Hürden, die man Kindern in den Weg legt, sollten für Senioren leicht zu bewältigen sein. Wir können in Zusammenarbeit mit den Pharmazeuten Lösungen, wie unseren Peel-Push-Verschluss, entwickeln. Letztendlich ist es jedoch der Pharmazeut, der entscheidet, welche Lösungen er in den Markt bringt. Hierbei sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Desweiteren muss der Endverbraucher den Öffnungsmechanismus verstehen und akzeptieren.

Dr. Erika Neubauer: Die BAGSO hat Befragungen bei den Älteren durchgeführt Danach haben bereits 92 Prozent Schwierigkeiten, selbst nicht kindergesicherte Verpackungen zu öffnen. 40 Prozent beklagen, dass sie mehrfach pro Woche vor diesem Problem stehen.Die größten Probleme bestehen bei Produkten mit Folieneinschlag. Dazu gehören auch viele Pharmaprodukte. Ältere neigen dazu, sich kindergesicherte Produkte öffnen zu lassen und in einem ungesicherten Zustand aufzubewahren. Dann taugt die beste Kindersicherung nichts mehr.

Meino Adam: Die Hauptanforderung an die Verpackungsindustrie lautet immer: Wir benötigen eine kindergesicherte Verpackung. Die Senioren waren in den letzten Jahren noch kein Thema. Die Senioren sind aber ein großer Markt, sie nehmen mit Abstand die meisten Medikamente.Deswegen kommt das Thema langsam an die Oberfläche. Die bestehenden Normen machen es der Industrie relativ leicht. Die Senioren, die an den Tests teilnehmen, sind zwischen 50 und 70 Jahren alt. Die wenigsten davon sind im eigentlichen Sinne Senioren.

Salvatore Santoro: In der aktuellen Norm EN 14375 sind die Senioren stärker berücksichtigt als in der alten Norm DIN 55559. Diese Norm haben wir als Vorgabe. Hier werden Senioren für die Tests herangezogen, die normale Fähigkeiten aufweisen. Wir müssen uns an die geltende Norm halten. Die Chance zur Berücksichtigung von älteren Erwachsenen mit eingeschränkten Fähigkeiten besteht in der Anpassung der  vorgeschriebenen Tests aus der Norm. Die Schwierigkeit ist allerdings, den Begriff „eingeschränkte Fähigkeiten“ genau zu definieren, denn hieraus können sich Anforderungen in stark unterschiedliche Richtungen ergeben.

neue verpackung: Es möchte niemand Senior sein. Man fühlt sich jung geblieben. Muss man das Thema vielleicht umbenennen, um es aus einer ungeliebten Ecke heraus zu bekommen? 

Dr. Horst Antonischki: Unter dem Begriff Design-for-all oder Universal-Design betritt das Thema „Easy opening“ gegenwärtig die Normenlandschaft. Die Normen für kindergesicherte Verpackungen verlangen eine Kindersicherheit für bestimmte Inhaltsstoffe. Sie erreicht faktisch Gesetzescharakter, weil sie durch Anordnung, zum Beispiel durch das BfArM, eingehalten werden muss. Die Dinge, die jetzt kommen, wie zum Beispiel Easy-Opening, werden freiwillige Normen sein. Deswegen werden die zunächst auch nicht so ernst genommen.

neue verpackung: Was wird dort denn verlangt? 

Dr. Horst Antonischki: Design-for-all soll eine Convenience-Verpackung für alle Menschen ermöglichen. Deswegen enthält diese Verordnung sehr viele Komponenten, nicht nur die zum Öffnen notwendige Kraft. Es geht um die Dimensionen, das Sehen und Halten, Greifen und Tragen. Alle diese Bestandteile sollen irgendwann in diese Norm einfließen. Im Augenblick befassen wir uns mit dem substanziellen, dem leichten Öffnen. Dabei ist ein Blick auf den Initiator hilfreich. Die Anregung kommt von der schwedischen Rheuma-Liga. Deswegen sehen wir beim Aufbau der Norm mit extremen Forderungen bei den Prüfvoraussetzungen konfrontiert. Und diese Entwicklung wird wegen des Wettbewerbsdrucks kommen. Wenn erste Discounter Easy-Opening gemäß dieser Norm verlangen, werden andere nachziehen.

Dr. Manfred Zurkirch: Über der Seniorengerechtigkeit darf man die Kindersicherung nicht vergessen. Die Medikamente werden von den Inhaltsstoffen her potenter. Das wird dazu führen, dass irgendwann die einzelnen Tabletten geschützt werden müssen. Single-Protec tion erleben wir bereits in den USA. Deswegen vermute ich, die Kluft zwischen Kindersicherheit und Seniorenfreundlichkeit wird größer.

neue verpackung: Die Maschinenindustrie kann die entsprechenden Lösungen bieten?

Dr. Manfred Zurkirch: Wir sehen viele Lösungen auf dem Markt. Ein Gutteil kann man sofort vergessen. Da werden Verpackungen aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt. Die sind nicht automatisierbar; die sind zu teuer. Die Industrie wird zwar bereit sein, ein wenig mehr zu investieren. Aber es darf in den USA nicht viel mehr kosten als die Fläschchen. Und die kosten aufgrund von Überkapazitäten fast nichts. Das bedeutet konkret, die Automatisierung muss einfach zu machen sein. Ein cleveres Verpackungskonzept in Kombination mit einer einfachen, flexiblen Maschinenkonfiguration wird diese Herausforderungen aber meistern.

Lothar Brauer: Die Norm unterscheidet zwischen wieder verschließbaren und nicht wieder verschließbaren Verpackungen. Sie greift damit direkt auf die Verwendung der Verpackung zu. Da sollten sich die Anforderungen zum Beispiel zwischen Pharmazeutika und Baumarktprodukten unterscheiden. Es ist eine Stilblüte, wenn 30-Liter-Gebinde mit 60-mm-Verschlüssen als kindersichere Verpackungen ausgelegt werden sollen. Wir produzieren Derartiges auf Kundenwunsch, aber die Sinnhaftigkeit steht in Frage.

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Ich bin eigentlich zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren wunderbare Lösungen kommen werden. Dabei betrachte ich das Normen-Geschehen eher kritisch. Normen bewegen soviel, wie sie auch hemmen. Für den Bereich Kindersicherheit haben Normen ihre Berechtigung. Bei den Senioren kann aber eigentlich nichts passieren. Im Zweifelsfall kann der Senior die Packung nicht öffnen. Dadurch entsteht kein Risiko. Hier geht es um mehr Convenience. Dieser Markt bietet erheblich mehr Freiraum. Deswegen sehe ich hier eher Impulse als Normen. Wir sollten die Beteiligten motivieren, kreativ an Lösungen heranzugehen. Bei Alltagsprodukten wie Toilettenpapier haben Tragegriffe oder Öffnungshilfen Bewegung in den Markt gebracht. Normen werden hier gar nicht gebraucht.Es geht um Wettbewerb im klassischen Sinn. Das honoriert der Markt. Das honorieren auch die Älteren. Interessanterweise sind es häufig Handelsmarken, die durch besondere Convenience auffallen. Dafür bedarf es keines Begriffs wie der Seniorengerechtigkeit. Darüber entscheiden die Kunden jeden Tag an der Ladentheke.

Dr. Erika Neubauer: Natürlich wird es der Markt schon richten. Aber das dauert sehr lange. Und die Anforderungen an die Produkte sind unterschiedlich. Beim Beispiel Toilettenpapier kann der Kunde die im Verkaufsregal präsentierten Produkte selbst prüfen und miteinander vergleichen, so dass eine Auswahl- und Entscheidungsmöglichkeit besteht. Dies ist bei Pharmazeutika, die der Apotheker auf den Tisch legt, nicht gegeben. Normen, oder zumindest erprobte Prüfverfahren, können deswegen die Sache voranbringen. Ich habe aber den Eindruck, da gibt es noch gar nicht so viel. Hier wären mehr Klarheit und Standardisierung hilfreich. 

Dr. Kornelia Grießmann: Bei den Pharmazeutika ist die Entscheidung nicht derart kundengesteuert, weil die Apotheken in der Regel verpflichtet sind, das abzugeben, was im unteren Preisbereich liegt. 

Lothar Brauer: Es bleibt wichtig, dass bestimmte Entwicklungen weiter über Normen geregelt werden. Als Unternehmen, das in Deutschland entwickelt, aber global vertreibt, sind wir daran interessiert, eine weltweit einheitliche Norm zu haben. Damit kann ich Lösungen, die ich in Deutschland getestet und zugelassen habe, auch in den USA nutzen.

Salvatore Santoro: Im Hinblick auf die Toxizität herrschen in den USA und in Europa unterschiedliche Vorschriften. Das bedeutet, Pharmazeuten, die auf beiden Kontinenten verkaufen, müssen sich nach beiden Normen richten. Wir bzw. der Kunde müssen uns an die geltenden Normen halten, wir können aber auch in Zusammenarbeit mit dem Kunden Lösungen entwickeln die höheren Anforderungen erfüllen. Die Lösungen hängen jedoch maßgeblich vom Design der Tablette und des Blisters ab und können nur in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden erarbeitet werden. Wir haben auch Designstudien mit alternativen Öffnungsmechanismen durchgeführt, die Lösungsansätze für die Zukunft aufzeigen.

Meino Adam: Wir richten uns immer nach der amerikanischen Norm, egal, für welchen Markt wir entwickeln, weil die jeder weltweit anerkennt. Das ist die härteste Norm und der Markt gibt sie vor. Der Markt bewegt sich deutlich in Richtung altersgerecht. Selbst in der jüngeren Generation ist das Thema Convenience und Compliance zu einem wichtigen Thema geworden. Die Pharmazeuten haben erkannt, dass es Probleme gibt. So werden Toploader-Verpackungen, bei denen die Verpackungen an der größten Seitenfläche geöffnet werden, deutlich zulegen. Dazu kommen neue Anwendungsformen wie Inhaler, die dem Patienten den Gebrauch erleichtern. Die Pharmazeuten kennen aber auch die Probleme der Patienten beim einzelnen Krankheitsbild. Sie wissen, Patienten sind bei bestimmen Medikamenten motorisch gestört. Hier werden entsprechende Forderungen an uns weitergetragen. Die Pharma-Industrie hat erkannt, die Verpackungen sind für den Verbraucher, auch den normalen, zu schwierig angelegt. Dies gilt insbesondere für Markenhersteller. Die werten ihre Verpackungen im Vergleich zu den Generika-Herstellern auf.

Dr. Horst Antonischki: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit klappt bis heute nicht ausreichend. Die Entwicklung würde einfacher verlaufen, wenn die Gesichtspunkte „Kindersicherheit“ und „Convenience„ von Anfang an in die Diskussion einfließen würden. Unser Institut bekommt immer wieder Packungen zur Prüfung, die praktisch fertig entwickelt sind. Es ist dann sehr schwer, an den teuer entwickelten Verpackungen noch etwas zu ändern. Wenn der Erfahrungsschatz, der bei der Kindersicherheit besteht, rechtzeitig eingebracht werden kann, werden auch kostengünstige Lösungen möglich.

Dr. Manfred Zurkirch: Der Markt der Seniorenfreundlichkeit wird ebenso wie die Norm in den USA entschieden. Dort müssen sich immer mehr Brands differenzieren. Das können sie nicht mit den traditionellen Flaschen. Die dortige Industrie wird das Thema pushen und eigene Tests durchsetzen. Wer etwas auf den Markt bringen kann, was den Senioren gefällt, der gewinnt. Aber eins ist auch sicher, die perfekte Packung wird es nie geben.

Dr. Horst Antonischki: Wir prüfen weltweit Produkte. In der Tat wird hier meist die amerikanische Norm zugrunde gelegt.

Lothar Brauer: Wenn die amerikanischen Unternehmen sich von den Flaschen abwenden, dann sind Entwicklungen für Verschlüsse in diese Richtung natürlich eine Sackgasse. 

Dr. Horst Antonischki: Auf lange Sicht sicherlich.

neue verpackung: Wallets gelten als eine kindersichere Lösung. Inwieweit sind sie auch altersgerecht, so convenient, dass der Senior oder auch der Kranke an seine Tablette kommt, wenn er sie akut benötigt? 

Dr. Horst Antonischki: Konkrete Erkenntnisse liegen hier noch nicht vor. Es sind noch zu wenige im Markt. Generell ist festzustellen, dass die außen gesicherten Wallets leichter zu öffnen sind, wenn das Prinzip verstanden wurde. Hier sind nur zwei Bewegungsabläufe notwendig. Die innen gesicherten Wallets dagegen bieten einzeln gesicherte Pillen. Da erleben wir dann, dass es für Senioren sehr schwierig wird. Es müssen drei, vier, manchmal sogar fünf Bewegungen hintereinander gemacht werden. 

Dr. Kornelia Grießmann: Drei, vier Bewegungen, das fördert auch bei Jüngeren nicht gerade die Compliance.

Dr. Horst Antonischki: Bei einem Blister lässt sich unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherungsmaßnahmen immer noch eine relativ bequeme Pharmaverpackung finden. Kinder neigen dazu, Blister zu drehen und zu knautschen. Sind die Blister dann mit Perforationen versehen, dann vereinzeln die Tabletten. Die Kinder verlieren das Interesse. Deswegen haben wir mit Peel-Push-Folien gute Erfahrungen gemacht, sofern sie richtig konstruiert sind.

Salvatore Santoro: Es müssen nicht immer komplizierte technische Lösungen sein. Man erreicht auch Kindersicherheit, indem man die Hürde erhöht. Wir verfügen über Folien, bei denen wir die Durchstoßkraft anpassen können. Dies praktizieren wir oft. Dafür müssen wir aber frühzeitig in die Entwicklung beim Kundeneingebunden werden.

neue verpackung: Convenience-Aspekte spielen bei rezeptpflichtigen Medikamenten gegenwärtig eine untergeordnete Rolle. Haben die Pharma-Unternehmen den Verbraucher trotzdem im Blick?

Dr. Kornelia Grießmann: Der Pharmazeut in der Apotheke ist heute daran gebunden, was er abgeben darf. Das gilt natürlich nicht für den OTC-Bereich. Bislang diskutieren wir aber überwiegend für den Sektor der Neuentwicklungen. Es gibt naturgemäß viel mehr Altprodukte. Hier stehen im Rahmen des Life-Cycle nicht die Mittel zur Verfügung, die für eine neue Brand bereitgestellt werden. Dazu stellt sich die Frage, wieweit verändere ich die Verpackung einer Marke, die lange Zeit im Markt ist – auch im Sinne der Kunden Compliance. Wenn ich eine entsprechende Änderung einleite, müssen die dazu gehörenden Qualitätsdaten gewonnen werden. Das sind Kosten, die zunächst einmal nicht betrachtet werden.

Dr. Horst Antonischki: Bei Altpräparaten lassen sich auch durch geringen Aufwand, wie Änderungen der Folie oder der Konstruktion, bemerkenswerte Effekte sowohl bei der Convenience als auch bei der Kindersicherheit erzielen. Das muss nicht viel kosten. 

Meino Adam: An einem bestehenden Produkt etwas zu verändern, ist so gut wie unmöglich. Da müssen neue Zulassungen beantragt werden, für neue Folien sind neue Stabilitätstests notwendig. Deswegen wird dies nicht funktionieren. Wo etwas zu bewegen ist, das sind jene Blockbuster, die bei der Industrie noch in der Pipeline stecken. Es müssen tatsächlich Blockbuster sein, die eine eigene Abpacklinie rechtfertigen. Mit dem richtigen Umsatz sind auch spezielle Lösungen möglich.

Dr. Manfred Zurkirch: Hätten wir heute noch Mono-Linien, dann wäre das Unternehmen tot. Kunden, die heute Maschinen bei uns kaufen, wechseln zum Teil fünf bis sechs Mal am Tag das Produkt und somit das Format.

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Auf Dauer wird es sich kein Arzt leisten können, Medikamente zu verordnen, die eine schlechte Convenience aufweisen. Auf mittlere Sicht wird auf diesem Gebiet zwischen den Pharma-Unternehmen ein harter Wettbewerb einsetzen, weil die Innovationen fehlen. Wenn damit die wissenschaftlichen Argumente ausgehen, werden die Pharmazeuten in die gleiche Lage versetzt, wie die Konsumgüter-Industrie. Deswegen muss mit Mehrwert argumentiert werden.

Dr. Kornelia Grießmann: Da würde ich nur für OTC-Produkte zustimmen. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sehe ich das im Sinne von Sparmaßnahmen nur sehr beschränkt. Gerade bei generischen Produkten ist der Einfluss seitens des Markts nicht sehr groß. 

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Ich betrachte dies aus dem Blickwinkel der Arzt-Patienten- Beziehung. Der Pharma-Außendienst wird nämlich gegenüber dem Arzt mit Convenience-Aspekten argumentieren. Das ergibt für die Beziehung zwischen Arzt und Patienten ein schlagendes Argument, das in den nächsten Jahren sehr viel stärker werden wird. Der Arzt wird also versuchen, den Spielraum, den er hat, in Richtung dieser Präparate zu lenken. Salvatore Santoro: Kindergesicherte Verpackungen sollten zur Selbstverständlichkeit werden. Dazu ist eine Norm hilfreich. Damit wird sichergestellt, dass sich alle Beteiligten mit dem Thema frühzeitig auseinandersetzen.

Lothar Brauer: Eine Norm ist ja nicht etwas, was ewig stehen bleibt. Es ist vom Gesetzgeber vorgesehen, dass sie alle fünf Jahre überarbeitet wird. Damit wird der Möglichkeit der technischen Weiterentwicklung Rechnung getragen.

neue verpackung: Wenn der Verbraucher mehr Wünsche äußert, auf mehr Convenience drängt: Welche Chancen verbinden sich denn damit? 

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Die Innovation treibt alle Warenbereiche deutlich nach vorne. Bei einem Vergleich zwischen Markenartikeln und Generika haben wir festgestellt, dass einzelne Generika-Hersteller unter Convenience-Aspekten äußerst gute Verpackungen aufweisen. Diese Anbieter haben das Thema erkannt, mit dem sie in Zukunft punkten können. Es ist im Grunde bei Handelsmarken und Generika die gleiche Denkhaltung. Sie sind nah am Kunden und werden den Handhabbarkeitskriterien in den nächsten Jahren noch mehr Bedeutung beimessen. Das wird kreative Lösungen für beide Seiten des Problems bringen.

 

 

Kindersicherung: Ein Gutteil ist wirkungslos

neue verpackung 09-2008

Kinder- und seniorengerechte Verpackungen sind sein Anliegen.
Dr. Rolf Abelmann, Geschäftsführer bei ivm-childsafe, stellt fest:
Es gibt Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.

neue verpackung: durch etliche Fernsehbeiträge wurde das Thema Kindersicherheit und Verpackung erneut aktualisiert. Wie beurteilen Sie über den Stand der Technik hinweg die Umsetzung in den einzelnen Produktkategorien wie Haushaltschemikalien oder Pharma?

Dr. Rolf Abelmann: Bedauerlicher Weise gibt es neben einer Mehrheit von verantwortungsvoll handelnden Unternehmen die für gefährliche Produkte oder Arzneimittel uneingeschränkt zertifizierte kindergesicherte Verpackungen einsetzten, auch eine Vielzahl von Fällen, in denen das Thema Kindersicherheit – bewusst oder unbewusst – vernachlässigt wird. Häufig führen dabei Unwissenheit und falsche Vorstellung der Verantwortlichen zu Verpackungslösungen, die in der Praxis keinen wirksamen Schutz gegen die Öffnung durch Kleinkinder bieten. Auf diese Weise wird die Gesundheit von Kleinkindern gefährdet, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden kann.

neue verpackung: Reichen die gesetzlichen Vorschriften aus, die EU-weit und bundesrechtlich das Thema regeln, oder besteht weiterer Handlungsbedarf?

Dr. Rolf Abelmann: Im Hinblick auf die vorhandene Gesetzgebung zeichnet sich ein relativ uneinheitliches Bild, da unterschiedliche Produktgruppen von denen eine Gefahr für Kleinkinder bei Missbrauch ausgeht, gesetzgeberisch leider unterschiedlich behandelt werden. Wenn man die Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern berücksichtigt erkennt man allerding einen klaren Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.Hier wäre eine Orientierung an den Bestimmungen in den USA empfehlenswert, in denen ein Großteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel kindergesichert verpackt werden müssen.
Ein anderes Thema bei gesetzlichen Bestimmungen ist allerding deren Einhaltung und Überwachung durch die Behörden. Gerade hier ist die Situation in Deutschland beunruhigend. Die aktuellen Anforderungen aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist davon auszugehen, dass ein bedeutender Anteil der in Deutschland eingesetzten kindergesicherten Verpackungen für pharmazeutische Produkte praktisch wirkungslos ist. Aber auch im Gefahrstoffrecht wäre eine Anpassung wünschenswert, da verschiedene Stoffgruppen, von denen durchaus eine Gefahr für Kinder besteht, immer noch ungesichert in Verkehr gelangen.

neue verpackung: Vermeintliche kindersichere Lösungen zeigen in der Praxis immer wieder, dass Kinder durchaus Zugang zum Produkt finden. Wie sicher ist kindersicher?

Dr. Rolf Abelmann: Leider wird häufig davon ausgegangen, dass bestimmte Verpackungskomponeten, wie z. B. Verschlüsse oder Folien für Blisterverpackungen per se kindergesichert wären. Dies ist nicht der Fall. Um die kindergesicherte Funktion einer Verpackung sicherzustellen muss die vollständige Verpackung, in bestimmten Fällen auch der Inhalt, berücksichtigt werden. Als kindergesichert können nur solche Verpackungen zu Recht bezeichnet werden, die entsprechend den bestehenden internationalen Normen geprüft und durch ein unabhängiges akkreditiertes Institut zertifiziert worden sind.

 

Kindersicherung: Ein Gutteil ist wirkungslos

neue verpackung 09-2008

Kinder- und seniorengerechte Verpackungen sind sein Anliegen.
Dr. Rolf Abelmann, Geschäftsführer bei ivm-childsafe, stellt fest:
Es gibt Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.

neue verpackung: durch etliche Fernsehbeiträge wurde das Thema Kindersicherheit und Verpackung erneut aktualisiert. Wie beurteilen Sie über den Stand der Technik hinweg die Umsetzung in den einzelnen Produktkategorien wie Haushaltschemikalien oder Pharma?

Dr. Rolf Abelmann: Bedauerlicher Weise gibt es neben einer Mehrheit von verantwortungsvoll handelnden Unternehmen die für gefährliche Produkte oder Arzneimittel uneingeschränkt zertifizierte kindergesicherte Verpackungen einsetzten, auch eine Vielzahl von Fällen, in denen das Thema Kindersicherheit – bewusst oder unbewusst – vernachlässigt wird. Häufig führen dabei Unwissenheit und falsche Vorstellung der Verantwortlichen zu Verpackungslösungen, die in der Praxis keinen wirksamen Schutz gegen die Öffnung durch Kleinkinder bieten. Auf diese Weise wird die Gesundheit von Kleinkindern gefährdet, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden kann.

neue verpackung: Reichen die gesetzlichen Vorschriften aus, die EU-weit und bundesrechtlich das Thema regeln, oder besteht weiterer Handlungsbedarf?

Dr. Rolf Abelmann: Im Hinblick auf die vorhandene Gesetzgebung zeichnet sich ein relativ uneinheitliches Bild, da unterschiedliche Produktgruppen von denen eine Gefahr für Kleinkinder bei Missbrauch ausgeht, gesetzgeberisch leider unterschiedlich behandelt werden. Wenn man die Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern berücksichtigt erkennt man allerding einen klaren Handlungsbedarf bei Arzneimitteln.Hier wäre eine Orientierung an den Bestimmungen in den USA empfehlenswert, in denen ein Großteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel kindergesichert verpackt werden müssen.
Ein anderes Thema bei gesetzlichen Bestimmungen ist allerding deren Einhaltung und Überwachung durch die Behörden. Gerade hier ist die Situation in Deutschland beunruhigend. Die aktuellen Anforderungen aus dem Jahr 1984 sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist davon auszugehen, dass ein bedeutender Anteil der in Deutschland eingesetzten kindergesicherten Verpackungen für pharmazeutische Produkte praktisch wirkungslos ist. Aber auch im Gefahrstoffrecht wäre eine Anpassung wünschenswert, da verschiedene Stoffgruppen, von denen durchaus eine Gefahr für Kinder besteht, immer noch ungesichert in Verkehr gelangen.

neue verpackung: Vermeintliche kindersichere Lösungen zeigen in der Praxis immer wieder, dass Kinder durchaus Zugang zum Produkt finden. Wie sicher ist kindersicher?

Dr. Rolf Abelmann: Leider wird häufig davon ausgegangen, dass bestimmte Verpackungskomponeten, wie z. B. Verschlüsse oder Folien für Blisterverpackungen per se kindergesichert wären. Dies ist nicht der Fall. Um die kindergesicherte Funktion einer Verpackung sicherzustellen muss die vollständige Verpackung, in bestimmten Fällen auch der Inhalt, berücksichtigt werden. Als kindergesichert können nur solche Verpackungen zu Recht bezeichnet werden, die entsprechend den bestehenden internationalen Normen geprüft und durch ein unabhängiges akkreditiertes Institut zertifiziert worden sind.

 

Kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte

Pharm. Ind. 08-2008

Übersicht über den aktuellen Wissens- und Normungsstand


Die Verwendung kindergesicherter Verpackungen für Arzneimittel stellt kein neues Thema dar. Unterschiedliche gesetzliche Verpflichtungen zum Einsatz sowie Normen und Prüfverfahren für kindergesicherte Verpackungen gibt es in vielen Ländern seit mehr als 30 Jahren. Immer wieder jedoch treten Fragen zum Themenkomplex kindergesicherter Verpackungen und deren Zertifizierung auf, die beantwortet werden müssen, um Sicherheit für Kleinkinder zur erreichen. Welche Arzneimittel müssen kindergesichert verpackt werden, in Deutschland und international? Welches sind geeignete kindergesicherte Verpackungen? Welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Welche Normen bestehen? Wer prüft und zertifiziert mit Blick auf die Wirksamkeit ihrer beabsichtigen Funktion? Gibt es kindergesicherte Folien für Blisterverpackungen? Nachfolgend werden Antworten auf die wichtigsten Fragen des Verpackungsmanagements gegeben und dabei gleichzeitig ein positiver Beitrag zum Thema Kindersicherheit geleistet.

Gesundheitsgefahren

Kindergesicherte Verpackungen werden eingesetzt, wenn eine gesundheitsgefährdende Wirkung für Kleinkinder besteht, falls diese mit dem Inhalt der Verpackung ungehindert in Kontakt gelangen. Der Einsatz hochwertiger und zertifizierter kindergesicherter Verpackungen hat daher insbesondere bei Arzneimitteln eine große Bedeutung. Die missbräuchliche Einnahme von Medikamenten durch Kleinkinder kann traumatische und lebensbedrohliche Folgen haben. Trotz unterschiedlich bestehender Auflagen zur kindergesicherten Verpackungen von Arzneimitteln gehören diese in den Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern immer noch zu den Hauptursachen.
Von Arzneimitteln geht bei Missbrauch grundsätzlich eine Gefahr für Kinder jeder Altersklasse aus, für Kleinkinder im Alter unter vier Jahren ist sie allerdings besonders groß. Sie verfügen noch nicht über das Wissen der Gefährlichkeit der Inhalte bestimmter Verpackungen. Darüber hinaus neigen die Kleinen dazu, viele Dinge unkontrolliert in den Mund zu nehmen. Dies ist besonders zu berücksichtigen, wenn man die Sicherheitskonzepte und die korrekte Funktionsweise von kindergesicherten Verpackungen richtig einsetzen oder beurteilen will.

Sicherheitskonzepte

Es gibt verschiedenste Verpackungslösungen, die gute Ansätze bei dem Versuch darstellen, Kleinkinder den Zugang zum Inhalt der Verpackungen zu erschweren. Wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen mit Verschlüssen, die nach dem Prinzip „Drücken und Drehen“ funktionieren, sowie spezielle kindergesicherte Blisterverpackungen sind dabei die bekanntesten. Viele wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen setzen dabei auf einen Trick, z. B. auf ein Öffnungsprinzip, bei dem zwei Bewegungen gleichzeitig koordiniert ausgeführt werden müssen.Andere, nicht wiederverschließbare Verpackungen erreichen die Sicherheit durch schwierig zu öffnende Materialien oder mehrere hintereinander auszuführende Öffnungsschritte (z.B. Peel-Push-Blister). Für Kinder bis zum Alter von vier Jahren stellen solche Sicherungssysteme, sofern qualitativ hochwertig gefertigt, eine wirkungsvolle Barriere dar. Kleinkinder haben große Schwierigkeiten mit der gleichzeitigen Ausführung von zwei abgestimmten Bewegungen; darüber hinaus verfügen sie in aller Regel noch nicht um das Wissen über die Funktionsweise komplexer Öffnungsmechanismen.

Frage der Wirksamkeit

Bei allen Verpackungen, die durch ihre Funktion darauf ausgerichtet sind zu verhindern, dass Kleinkinder an den gefährlichen Inhalt gelangen können, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Sicherung. Das bloße Vorhandensein eines beabsichtigten Öffnungsmechanismus, z.B. auf dem Prinzip „Drücken und Drehen“ beruht, ist kein ausreichernder Beleg dafür, dass der Zugriff auf den Inhalt für Kleinkinder auch wirklich verhindert wird. So lässt sich immer wieder beobachten, dass die Verschlusssysteme aufgrund ihrer technischen Komplexität und dem Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zwar darauf ausgerichtet sind, die Öffnung durch Kleinkinder zu unterbinden, dies jedoch in der Praxis oft nicht funktioniert.

Werden nicht geprüfte, qualitativ minderwertige Verpackungen eingesetzt, um Kinder vor dem gefährlichen Inhalt zu schützen, versagen diese oft in der Praxis!

Normen und Prüfverfahren

Zur Überprüfung und Gewährleistung der richtigen Funktionsweise kindergesicherter Verpackungen existieren unterschiedliche internationale Normen. Diese Normen beschreiben Prüfverfahren um zu untersuchen, ob die Sicherungsfunktion in Bezug auf Kleinkinder sowie die problemlose Handhabbarkeit durch Senioren gewährleistet sind. Die wichtigsten Standard sind dabei die ISO 8317 (2003) für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen, die EN 14375 (2003) für nicht wiederverschließbare Verpackungen für pharmazeutische Produkte sowie die US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR §1700.20. Gemeinsame Grundlage der Prüfverfahren ist jeweils ein zweimal fünfminütiger Test (vor und nach Demonstration der Öffnung der Verpackung) mit bis zu 200 Kleinkindern im Alter von 42 bis 51 Monaten, bei dem diese versuchen, die Verpackung zu öffnen, sowie eine Öffnungsprüfung mit Senioren im Alter von 50 bis 70 Jahren. Während bei den Test mit Kleinkindern maximal 15% der Testgruppe innerhalb der ersten fünf Minuten und maximal 20% der Kinder während der gesamten zehn Minuten in der Lage sein dürfen, an den Inhalt der Verpackungen zu gelangen, um die Anforderungen der Norm zu erfüllen, müssen sich bei den Test mit Senioren, mindestens 90% als in der Lage erweisen, die Verpackung innerhalb einer Minute zu öffnen, nachdem sie sich fünf Minuten mit der Verpackung vertraut machen durften. Nur solche Verpackungen, bei denen sowohl die Anforderungen im Kinder- als auch im Seniorentest erfüllt wurden, entsprechen der Norm und sind zertifizierungsfähig. Die Anforderungen der Normen für kindergesicherte Verpackungen spiegeln deren Zielrichtung wider. Es wird davon ausgegangen, dass Verpackungen , die sich von Kindern im Alter von 42 bis 51 Monaten nicht öffnen lassen, auch bei denjenigen Kleinkindern Wirkung zeigen, die von Vergiftungsunfällen am häufigsten betroffen sind; dies ist insbesondere die Altersgruppe zwischen 30 und 42 Monaten. Gleichzeitig muss aber auch die einwandfreie Handhabbarkeit durch Erwachsene möglich sein, da nur eine Verpackung, die durch Erwachsene problemlos geöffnet und verschlossen werden kann, im Fall eines Falles auch kindergesichert verschlossen bleibt.

Prüfung und Zertifizierung

Die Prüfung und Zertifizierung von kindergesicherten Verpackungen erfolgt durch unabhängige Institute, die nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen akkreditiert sind.Lediglich ein Zertifikat entsprechend der jeweiligen internationalen Norm für kindergesicherte Verpackungen ist ein Beleg für die beabsichtigte richtige Funktion der Verpackung und wird von Industrie, Behörden und Gesellschaft gleichermaßen anerkannt.

Rechtliche Grundlagen für die Verpackung von Arzneimitteln in Deutschland

Die gesetzlichen Grundlagen zur kindergesicherten Verpackung von Arzneimitteln bestehen in Deutschland aufgrund der Auflagenbefugnis der obersten Bundesbehörde laut § 28 Arzneimittelgesetz (AMG) sowie § 12 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Diese ermöglicht es, in Deutschland Anordnungen zu erlassen, nach denen Arzneimittel, von denen bei unkontrollierter Einnahme eine gewisse Gefahr für die Gesundheit von Kleinkindern ausgeht, kindergesichert zu verpacken sind. Auf dieser Grundlage bestehen derzeit Bestimmungen, nach denen mehrere hundert Wirkstoffe in Deutschland in der Regel nur kindergesichert verpackt verkauft werden dürfen. Darüber hinaus werden Arzneimittel im Rahmen der Neuzulassung individuell hinsichtlich der Notwendigkeit einer kindergesicherten Verpackung geprüft. Fallen Arzneimittel in Deutschland oder Europa unter die Regelungen der kindergesichert zu verpackenden Produkten, so müssen die Verpackungen entweder der Norm ISO 8317 (2003) für die wiederverschließbaren kindergesicherte Verpackungen oder der EN 14375 (2003) für die nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte (früher DIN 55559) entsprechen. Die Übereinstimmung der Eigenschaften einer Verpackung mit den Anforderungen der Norm bestätigen
Unabhängige Prüfinstitute, die als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen nach EN 45011 akkreditiert sind, durch die Vergabe eines Zertifikates.

Internationale Normen und Rechtsquellen im Vergleich

Die Normen für kindergesicherte Verpackungen ISO 8317 und EN 14375 sind weltweit (mit Ausnahme der USA) anerkannt. Die Anforderungen an die Verpackungen sind also im Wesentlichen international vergleichbar. Spiegelt man hingegen die gesetzlichen Bestimmungen zur kindergesicherten Verpackung von Arzneimitten weltweit, so lassen sich länderspezifische Unterschiede vor allem bei der Art der kindergesichert zu verpackenden Wirkstoffe erkennen. Es bestehen hier sehr unterschiedliche Regelungen, die durch voneinander abweichende Wirkstofflisten in einigen Staaten, der völligen Abwesenheit von Auflagen in anderen Ländern, bis hin zum nahezu vollständigen verpflichtenden Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel z.B. in den USA (vgl. USCFR§1700.15) reichen.
Für international tätige pharmazeutische Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ausgesetzt sehen, die für einige Produkte den Einsatz kindergesicherter Verpackungen verlangen, aber für andere Fälle nicht. Aus diesem Grund ist die Verwendung gerade hier besonders wichtig, um der Vielfalt nationaler Regelungen im internationalen Vergleich verantwortungsvoll auf richtige Weise zu entsprechen. Bei den Normen für kindergesicherte Verpackungen sind für Arzneimittel neben der Iso 8317 sowie der EN 14375 insbesondere die leicht abweichenden US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR §1700.20
(für wiederverschließbare und nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen ) zu beachten, welche bei der Zulassung und dem Vertrieb in den Vereinigten Staaten belegt werden müssen

Für international tätige pharmazeutische Unternehmen die sich einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ausgesetzt sehen, ist die Verwendung von hochwertigen zertifizierten kindergesicherten Verpackungen besonders wichtig, um der Vielfalt nationaler Regelungen im internationalen Vergleich richtig zu begegnen.

Barrieren auf dem Weg zur Kindersicherheit

Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs 2kindergesicherte Verpackungen“ für pharmazeutische Produkte gibt es immer wieder Missverständnisse, die nach Aufklärung und Korrektur verlangen.So kommt es beispielweise vor, dass bestimmte Deckfolien zum Aufbau vom Blisterverpackungen für Arzneimittel als kindergesichert bezeichnet werden. Dieser Vorstellung folgend wird dann der Schluss gezogen, dass alle Blisterverpackungen, die unter Verwendung der vermeintlichen Folie produziert werden, kindergesichert seien. Diese Vorstellung ist falsch. Es ist durchaus möglich, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie und den darin verpackten Tabletten die Anforderungen der EN 14375 erfüllt, dass die gleiche Deckfolie kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch keinesfalls kindersicher ist. Die richtige kindergesicherte Funktionsweise einer Blisterverpackung ergibt sich erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Einflußgrößen, wie z. B. die Eigenschaften der Deckfolie (Material, Festigkeit, Flexibilität etc.), die Eigenschaften der Formfolien (Material, Größe und Form der Kavitäten etc.), aber auch weitere Einflüsse wie z. B. das Vorhandensein einer Perforation. Ein Blister aus identischen Materialien kann lediglich durch eine Variation der Größe der Kavitätiven die Anforderungen der EN 14375 erfüllen und zertifizierfähig sein und in anderen Fällen nicht.

Nur vollständige Verpackungen können als kindergesichert geprüft und zertifiziert werden!

Das Gleiche gilt im Umkehrschluss für eine Veränderung der Größe von abgepackten Tabletten. Sobald die Kavitäten eines Blisters deutlich größer sind als die verpackten Tabletten, wird es auch bei vergleichsweise stabilen Deckfolien Kleinkindern leicht möglich sein, diese mit den Fingernägeln durchzudrücken. In diesen Fällen endet dann auch jede Kindersicherheit. Für das Design kindergesicherter Blisterverpackungen folgt daraus, dass jeder Blister eine aufeinander abgestimmte Einheit aus Deckfolie, Formfolie, Geometrie und verpackter Tabletten darstellt, wobei deren Zusammenwirken Berücksichtigung finden muss. Schließlich bedeutet dies für die Prüfung und Zertifizierung nach EN 14375, das diese nur für eine einzelne als Einheit definierte Verpackung erfolgen kann; nur für diese kann die kindergesicherte Funktionsweise belegt werden. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse ist nicht möglich. Daher gibt es auch keine grundsätzlich kindergesicherten oder zertifizierten Deckfolien. Ein ähnliches Problem besteht für wiederverschließbare Verpackungen, die aus einer Flasche und einem Verschluss bestehen, der zum Öffnen hinunter gedrückt werden muss. Geprüft und auf Kindersicherheit nach ISO 8317 zertifiziert werden kann nur eine vollständige Verpackung bestehend aus Verschluss und Flasche. Je nach Größe und Form einer Flasche ist es Kleinkindern mehr oder weniger leicht möglich, diese Verpackungen zu öffnen. Auch Materialeigenschaften der Flasche ( z. B. Glas oder PET) können die Eigenschaften einer wiederverschließbaren kindergesicherten Verpackung in die eine oder andere Richtung positiv oder negativ beeinflussen und müssen Berücksichtigung finden. Allerding bietet die ISO 8317 die Möglichkeit, eine Prüfung der Gesamtheit der möglichen Kombinationen aus Verschluss und unterschiedlichen Flaschenvolumen zu reduzieren, wenn die Verpackung (bestehend aus Verschluss und Behälter) die Anforderung der ISO 8347 in der kleinsten und der größten verfügbaren Volumengröße erfüllt. Bei der Zertifizierung von solchen „Verpackungsfamilien“ gelten dann die Volumen innerhalb des geprüften Volumenintervalls als ebenfalls zertifiziert und als normenkonform.

Frühzeitige Planung bei der Produktion

Bei der Verpackung von Arzneimitteln sollten Hersteller und Verpacker das Thema Kindersicherheit frühzeitig berücksichtigen und diesem auf verantwortungsvolle Art und Weise begegnen. In der Regel ist eine kindergesicherte Verpackung dann auf leichte und günstige Weise zu erreichen. Es bestehen diverse Möglichkeiten bei der Entwicklung von wiederschließbaren und auch von nicht wiederverschließbaren kindergesicherten Verpackungen. Die Komplexität des Aufbaus von kindergesicherten Blisterverpackungen sollte nicht unterschätzt werden. Vorteilhaft ist es, im Rahmen der Planung durch unterschiedliche Varianten einen gewissen Handlungsspielraum zu erhalten. Die Frage, ob die Verpackung in der kritischen Situation auch die gewollte Sicherheitsfunktion erfüllt, darf nicht dem Zufall überlassen werden. Dazu sind die möglichen Folgen für Verbraucher zu weitreichend. Daher führt an der Prüfung und Zertifizierung der für ein Arzneimittel individuell gestalteten kindergesicherten Verpackung kein Weg vorbei.

Zukunft kindergesicherter Verpackungen

Der Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für Arzneimittel wird auch in den nächsten Jahren überdurchschnittlich zunehmen. Dies liegt sowohl an der Zunahme von Regelungen, die den Einsatz verbindlich machen (vgl. z. B. TGO 80 aus Australien), deren zu erwartender internationaler Harmonisierung als auch an der zugenommenen Sensibilisierung für das Thema. Diese Entwicklung veranlassen die Entscheidungsträger zu proaktivem Handeln. In vielen Fällen ist ein breiter Einsatz kindergesicherter Verpackungen bei Produktion und Vermarktung bestimmter Produktgruppen mit deutlich weniger Aufwand und Kosten verbunden als eine spätere reaktive Anpassung im Einzelfall. Immer häufiger wird der Wechsel von Verpackungen oder bestimmten Verpackungskomponeten Wie z. B. Verschlüssen oder Deckfolien für Blister – zu organisieren sein. Die zunehmende Bedeutung von kindergesicherten Verpackungen führt aber auch zu neuen Lösungen, wie z. B. Verschlusstopfen für Röhrenverpackungen, Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Auch die Anforderungen, welche die Normen an kindergesicherte Verpackungen stellen, werden sich verändern. Insbesondere bei Blisterverpackungen ist in Zukunft mit höheren Sicherheitsniveaus zu rechnen. Diese Entwicklung spricht für einen zunehmenden Einsatz von Blisterverpackungen, die über komplexere Öffnungsmechanismen wie z. B, Peel-Push-Blister verfügen. Neue kindergesicherte Verpackungen werden aber zugleich durch den veränderten demographischen Aufbau und die Berücksichtigung der leichten Handhabbarkeit durch Erwachsene geprägt sein. Aufgrund der Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung ist es wichtig, auch für diese eine bequeme Benutzung kindergesicherter Verpackungen zu ermöglichen, wenngleich der Sicherheitsaspekt weiterhin Vorrang hat.

 

Kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte

Pharm. Ind. 08-2008

Übersicht über den aktuellen Wissens- und Normungsstand


Die Verwendung kindergesicherter Verpackungen für Arzneimittel stellt kein neues Thema dar. Unterschiedliche gesetzliche Verpflichtungen zum Einsatz sowie Normen und Prüfverfahren für kindergesicherte Verpackungen gibt es in vielen Ländern seit mehr als 30 Jahren. Immer wieder jedoch treten Fragen zum Themenkomplex kindergesicherter Verpackungen und deren Zertifizierung auf, die beantwortet werden müssen, um Sicherheit für Kleinkinder zur erreichen. Welche Arzneimittel müssen kindergesichert verpackt werden, in Deutschland und international? Welches sind geeignete kindergesicherte Verpackungen? Welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Welche Normen bestehen? Wer prüft und zertifiziert mit Blick auf die Wirksamkeit ihrer beabsichtigen Funktion? Gibt es kindergesicherte Folien für Blisterverpackungen? Nachfolgend werden Antworten auf die wichtigsten Fragen des Verpackungsmanagements gegeben und dabei gleichzeitig ein positiver Beitrag zum Thema Kindersicherheit geleistet.

Gesundheitsgefahren

Kindergesicherte Verpackungen werden eingesetzt, wenn eine gesundheitsgefährdende Wirkung für Kleinkinder besteht, falls diese mit dem Inhalt der Verpackung ungehindert in Kontakt gelangen. Der Einsatz hochwertiger und zertifizierter kindergesicherter Verpackungen hat daher insbesondere bei Arzneimitteln eine große Bedeutung. Die missbräuchliche Einnahme von Medikamenten durch Kleinkinder kann traumatische und lebensbedrohliche Folgen haben. Trotz unterschiedlich bestehender Auflagen zur kindergesicherten Verpackungen von Arzneimitteln gehören diese in den Statistiken über Vergiftungsunfälle von Kleinkindern immer noch zu den Hauptursachen.
Von Arzneimitteln geht bei Missbrauch grundsätzlich eine Gefahr für Kinder jeder Altersklasse aus, für Kleinkinder im Alter unter vier Jahren ist sie allerdings besonders groß. Sie verfügen noch nicht über das Wissen der Gefährlichkeit der Inhalte bestimmter Verpackungen. Darüber hinaus neigen die Kleinen dazu, viele Dinge unkontrolliert in den Mund zu nehmen. Dies ist besonders zu berücksichtigen, wenn man die Sicherheitskonzepte und die korrekte Funktionsweise von kindergesicherten Verpackungen richtig einsetzen oder beurteilen will.

Sicherheitskonzepte

Es gibt verschiedenste Verpackungslösungen, die gute Ansätze bei dem Versuch darstellen, Kleinkinder den Zugang zum Inhalt der Verpackungen zu erschweren. Wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen mit Verschlüssen, die nach dem Prinzip „Drücken und Drehen“ funktionieren, sowie spezielle kindergesicherte Blisterverpackungen sind dabei die bekanntesten. Viele wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen setzen dabei auf einen Trick, z. B. auf ein Öffnungsprinzip, bei dem zwei Bewegungen gleichzeitig koordiniert ausgeführt werden müssen.Andere, nicht wiederverschließbare Verpackungen erreichen die Sicherheit durch schwierig zu öffnende Materialien oder mehrere hintereinander auszuführende Öffnungsschritte (z.B. Peel-Push-Blister). Für Kinder bis zum Alter von vier Jahren stellen solche Sicherungssysteme, sofern qualitativ hochwertig gefertigt, eine wirkungsvolle Barriere dar. Kleinkinder haben große Schwierigkeiten mit der gleichzeitigen Ausführung von zwei abgestimmten Bewegungen; darüber hinaus verfügen sie in aller Regel noch nicht um das Wissen über die Funktionsweise komplexer Öffnungsmechanismen.

Frage der Wirksamkeit

Bei allen Verpackungen, die durch ihre Funktion darauf ausgerichtet sind zu verhindern, dass Kleinkinder an den gefährlichen Inhalt gelangen können, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Sicherung. Das bloße Vorhandensein eines beabsichtigten Öffnungsmechanismus, z.B. auf dem Prinzip „Drücken und Drehen“ beruht, ist kein ausreichernder Beleg dafür, dass der Zugriff auf den Inhalt für Kleinkinder auch wirklich verhindert wird. So lässt sich immer wieder beobachten, dass die Verschlusssysteme aufgrund ihrer technischen Komplexität und dem Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zwar darauf ausgerichtet sind, die Öffnung durch Kleinkinder zu unterbinden, dies jedoch in der Praxis oft nicht funktioniert.

Werden nicht geprüfte, qualitativ minderwertige Verpackungen eingesetzt, um Kinder vor dem gefährlichen Inhalt zu schützen, versagen diese oft in der Praxis!

Normen und Prüfverfahren

Zur Überprüfung und Gewährleistung der richtigen Funktionsweise kindergesicherter Verpackungen existieren unterschiedliche internationale Normen. Diese Normen beschreiben Prüfverfahren um zu untersuchen, ob die Sicherungsfunktion in Bezug auf Kleinkinder sowie die problemlose Handhabbarkeit durch Senioren gewährleistet sind. Die wichtigsten Standard sind dabei die ISO 8317 (2003) für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen, die EN 14375 (2003) für nicht wiederverschließbare Verpackungen für pharmazeutische Produkte sowie die US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR §1700.20. Gemeinsame Grundlage der Prüfverfahren ist jeweils ein zweimal fünfminütiger Test (vor und nach Demonstration der Öffnung der Verpackung) mit bis zu 200 Kleinkindern im Alter von 42 bis 51 Monaten, bei dem diese versuchen, die Verpackung zu öffnen, sowie eine Öffnungsprüfung mit Senioren im Alter von 50 bis 70 Jahren. Während bei den Test mit Kleinkindern maximal 15% der Testgruppe innerhalb der ersten fünf Minuten und maximal 20% der Kinder während der gesamten zehn Minuten in der Lage sein dürfen, an den Inhalt der Verpackungen zu gelangen, um die Anforderungen der Norm zu erfüllen, müssen sich bei den Test mit Senioren, mindestens 90% als in der Lage erweisen, die Verpackung innerhalb einer Minute zu öffnen, nachdem sie sich fünf Minuten mit der Verpackung vertraut machen durften. Nur solche Verpackungen, bei denen sowohl die Anforderungen im Kinder- als auch im Seniorentest erfüllt wurden, entsprechen der Norm und sind zertifizierungsfähig. Die Anforderungen der Normen für kindergesicherte Verpackungen spiegeln deren Zielrichtung wider. Es wird davon ausgegangen, dass Verpackungen , die sich von Kindern im Alter von 42 bis 51 Monaten nicht öffnen lassen, auch bei denjenigen Kleinkindern Wirkung zeigen, die von Vergiftungsunfällen am häufigsten betroffen sind; dies ist insbesondere die Altersgruppe zwischen 30 und 42 Monaten. Gleichzeitig muss aber auch die einwandfreie Handhabbarkeit durch Erwachsene möglich sein, da nur eine Verpackung, die durch Erwachsene problemlos geöffnet und verschlossen werden kann, im Fall eines Falles auch kindergesichert verschlossen bleibt.

Prüfung und Zertifizierung

Die Prüfung und Zertifizierung von kindergesicherten Verpackungen erfolgt durch unabhängige Institute, die nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen akkreditiert sind.Lediglich ein Zertifikat entsprechend der jeweiligen internationalen Norm für kindergesicherte Verpackungen ist ein Beleg für die beabsichtigte richtige Funktion der Verpackung und wird von Industrie, Behörden und Gesellschaft gleichermaßen anerkannt.

Rechtliche Grundlagen für die Verpackung von Arzneimitteln in Deutschland

Die gesetzlichen Grundlagen zur kindergesicherten Verpackung von Arzneimitteln bestehen in Deutschland aufgrund der Auflagenbefugnis der obersten Bundesbehörde laut § 28 Arzneimittelgesetz (AMG) sowie § 12 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Diese ermöglicht es, in Deutschland Anordnungen zu erlassen, nach denen Arzneimittel, von denen bei unkontrollierter Einnahme eine gewisse Gefahr für die Gesundheit von Kleinkindern ausgeht, kindergesichert zu verpacken sind. Auf dieser Grundlage bestehen derzeit Bestimmungen, nach denen mehrere hundert Wirkstoffe in Deutschland in der Regel nur kindergesichert verpackt verkauft werden dürfen. Darüber hinaus werden Arzneimittel im Rahmen der Neuzulassung individuell hinsichtlich der Notwendigkeit einer kindergesicherten Verpackung geprüft. Fallen Arzneimittel in Deutschland oder Europa unter die Regelungen der kindergesichert zu verpackenden Produkten, so müssen die Verpackungen entweder der Norm ISO 8317 (2003) für die wiederverschließbaren kindergesicherte Verpackungen oder der EN 14375 (2003) für die nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte (früher DIN 55559) entsprechen. Die Übereinstimmung der Eigenschaften einer Verpackung mit den Anforderungen der Norm bestätigen
Unabhängige Prüfinstitute, die als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen nach EN 45011 akkreditiert sind, durch die Vergabe eines Zertifikates.

Internationale Normen und Rechtsquellen im Vergleich

Die Normen für kindergesicherte Verpackungen ISO 8317 und EN 14375 sind weltweit (mit Ausnahme der USA) anerkannt. Die Anforderungen an die Verpackungen sind also im Wesentlichen international vergleichbar. Spiegelt man hingegen die gesetzlichen Bestimmungen zur kindergesicherten Verpackung von Arzneimitten weltweit, so lassen sich länderspezifische Unterschiede vor allem bei der Art der kindergesichert zu verpackenden Wirkstoffe erkennen. Es bestehen hier sehr unterschiedliche Regelungen, die durch voneinander abweichende Wirkstofflisten in einigen Staaten, der völligen Abwesenheit von Auflagen in anderen Ländern, bis hin zum nahezu vollständigen verpflichtenden Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel z.B. in den USA (vgl. USCFR§1700.15) reichen.
Für international tätige pharmazeutische Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ausgesetzt sehen, die für einige Produkte den Einsatz kindergesicherter Verpackungen verlangen, aber für andere Fälle nicht. Aus diesem Grund ist die Verwendung gerade hier besonders wichtig, um der Vielfalt nationaler Regelungen im internationalen Vergleich verantwortungsvoll auf richtige Weise zu entsprechen. Bei den Normen für kindergesicherte Verpackungen sind für Arzneimittel neben der Iso 8317 sowie der EN 14375 insbesondere die leicht abweichenden US-amerikanischen Bestimmungen nach US 16 CFR §1700.20
(für wiederverschließbare und nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen ) zu beachten, welche bei der Zulassung und dem Vertrieb in den Vereinigten Staaten belegt werden müssen

Für international tätige pharmazeutische Unternehmen die sich einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ausgesetzt sehen, ist die Verwendung von hochwertigen zertifizierten kindergesicherten Verpackungen besonders wichtig, um der Vielfalt nationaler Regelungen im internationalen Vergleich richtig zu begegnen.

Barrieren auf dem Weg zur Kindersicherheit

Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs 2kindergesicherte Verpackungen“ für pharmazeutische Produkte gibt es immer wieder Missverständnisse, die nach Aufklärung und Korrektur verlangen.So kommt es beispielweise vor, dass bestimmte Deckfolien zum Aufbau vom Blisterverpackungen für Arzneimittel als kindergesichert bezeichnet werden. Dieser Vorstellung folgend wird dann der Schluss gezogen, dass alle Blisterverpackungen, die unter Verwendung der vermeintlichen Folie produziert werden, kindergesichert seien. Diese Vorstellung ist falsch. Es ist durchaus möglich, dass eine Deckfolie in Kombination mit einer bestimmten Formfolie und den darin verpackten Tabletten die Anforderungen der EN 14375 erfüllt, dass die gleiche Deckfolie kombiniert mit einer anderen Formfolie jedoch keinesfalls kindersicher ist. Die richtige kindergesicherte Funktionsweise einer Blisterverpackung ergibt sich erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Einflußgrößen, wie z. B. die Eigenschaften der Deckfolie (Material, Festigkeit, Flexibilität etc.), die Eigenschaften der Formfolien (Material, Größe und Form der Kavitäten etc.), aber auch weitere Einflüsse wie z. B. das Vorhandensein einer Perforation. Ein Blister aus identischen Materialien kann lediglich durch eine Variation der Größe der Kavitätiven die Anforderungen der EN 14375 erfüllen und zertifizierfähig sein und in anderen Fällen nicht.

Nur vollständige Verpackungen können als kindergesichert geprüft und zertifiziert werden!

Das Gleiche gilt im Umkehrschluss für eine Veränderung der Größe von abgepackten Tabletten. Sobald die Kavitäten eines Blisters deutlich größer sind als die verpackten Tabletten, wird es auch bei vergleichsweise stabilen Deckfolien Kleinkindern leicht möglich sein, diese mit den Fingernägeln durchzudrücken. In diesen Fällen endet dann auch jede Kindersicherheit. Für das Design kindergesicherter Blisterverpackungen folgt daraus, dass jeder Blister eine aufeinander abgestimmte Einheit aus Deckfolie, Formfolie, Geometrie und verpackter Tabletten darstellt, wobei deren Zusammenwirken Berücksichtigung finden muss. Schließlich bedeutet dies für die Prüfung und Zertifizierung nach EN 14375, das diese nur für eine einzelne als Einheit definierte Verpackung erfolgen kann; nur für diese kann die kindergesicherte Funktionsweise belegt werden. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse ist nicht möglich. Daher gibt es auch keine grundsätzlich kindergesicherten oder zertifizierten Deckfolien. Ein ähnliches Problem besteht für wiederverschließbare Verpackungen, die aus einer Flasche und einem Verschluss bestehen, der zum Öffnen hinunter gedrückt werden muss. Geprüft und auf Kindersicherheit nach ISO 8317 zertifiziert werden kann nur eine vollständige Verpackung bestehend aus Verschluss und Flasche. Je nach Größe und Form einer Flasche ist es Kleinkindern mehr oder weniger leicht möglich, diese Verpackungen zu öffnen. Auch Materialeigenschaften der Flasche ( z. B. Glas oder PET) können die Eigenschaften einer wiederverschließbaren kindergesicherten Verpackung in die eine oder andere Richtung positiv oder negativ beeinflussen und müssen Berücksichtigung finden. Allerding bietet die ISO 8317 die Möglichkeit, eine Prüfung der Gesamtheit der möglichen Kombinationen aus Verschluss und unterschiedlichen Flaschenvolumen zu reduzieren, wenn die Verpackung (bestehend aus Verschluss und Behälter) die Anforderung der ISO 8347 in der kleinsten und der größten verfügbaren Volumengröße erfüllt. Bei der Zertifizierung von solchen „Verpackungsfamilien“ gelten dann die Volumen innerhalb des geprüften Volumenintervalls als ebenfalls zertifiziert und als normenkonform.

Frühzeitige Planung bei der Produktion

Bei der Verpackung von Arzneimitteln sollten Hersteller und Verpacker das Thema Kindersicherheit frühzeitig berücksichtigen und diesem auf verantwortungsvolle Art und Weise begegnen. In der Regel ist eine kindergesicherte Verpackung dann auf leichte und günstige Weise zu erreichen. Es bestehen diverse Möglichkeiten bei der Entwicklung von wiederschließbaren und auch von nicht wiederverschließbaren kindergesicherten Verpackungen. Die Komplexität des Aufbaus von kindergesicherten Blisterverpackungen sollte nicht unterschätzt werden. Vorteilhaft ist es, im Rahmen der Planung durch unterschiedliche Varianten einen gewissen Handlungsspielraum zu erhalten. Die Frage, ob die Verpackung in der kritischen Situation auch die gewollte Sicherheitsfunktion erfüllt, darf nicht dem Zufall überlassen werden. Dazu sind die möglichen Folgen für Verbraucher zu weitreichend. Daher führt an der Prüfung und Zertifizierung der für ein Arzneimittel individuell gestalteten kindergesicherten Verpackung kein Weg vorbei.

Zukunft kindergesicherter Verpackungen

Der Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für Arzneimittel wird auch in den nächsten Jahren überdurchschnittlich zunehmen. Dies liegt sowohl an der Zunahme von Regelungen, die den Einsatz verbindlich machen (vgl. z. B. TGO 80 aus Australien), deren zu erwartender internationaler Harmonisierung als auch an der zugenommenen Sensibilisierung für das Thema. Diese Entwicklung veranlassen die Entscheidungsträger zu proaktivem Handeln. In vielen Fällen ist ein breiter Einsatz kindergesicherter Verpackungen bei Produktion und Vermarktung bestimmter Produktgruppen mit deutlich weniger Aufwand und Kosten verbunden als eine spätere reaktive Anpassung im Einzelfall. Immer häufiger wird der Wechsel von Verpackungen oder bestimmten Verpackungskomponeten Wie z. B. Verschlüssen oder Deckfolien für Blister – zu organisieren sein. Die zunehmende Bedeutung von kindergesicherten Verpackungen führt aber auch zu neuen Lösungen, wie z. B. Verschlusstopfen für Röhrenverpackungen, Wallets oder Verpackungslösungen mit elektronischer Dosierfunktion, die gleichzeitig kindergesichert sind. Auch die Anforderungen, welche die Normen an kindergesicherte Verpackungen stellen, werden sich verändern. Insbesondere bei Blisterverpackungen ist in Zukunft mit höheren Sicherheitsniveaus zu rechnen. Diese Entwicklung spricht für einen zunehmenden Einsatz von Blisterverpackungen, die über komplexere Öffnungsmechanismen wie z. B, Peel-Push-Blister verfügen. Neue kindergesicherte Verpackungen werden aber zugleich durch den veränderten demographischen Aufbau und die Berücksichtigung der leichten Handhabbarkeit durch Erwachsene geprägt sein. Aufgrund der Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung ist es wichtig, auch für diese eine bequeme Benutzung kindergesicherter Verpackungen zu ermöglichen, wenngleich der Sicherheitsaspekt weiterhin Vorrang hat.

 

Auf das Zertifikat kommt es an

PackReport 04-2008

Verschlüsse helfen Unfälle zu vermeiden!

Kindersicherheit bei Verpackungen ist lange schon kein neuartiges Thema mehr. Das Prinzip „Drücken- und Drehen“ ist jedem bekannt, hat sich bei vielen Verpackungen bewährt und damit so manchem Kind den Besuch beim Arzt erspart oder gar das Leben gerettet. Trotz des verbindlichen Einsatzes von kindergesicherten Verpackungen gibt es immer wieder Fälle, in denen sich die Hersteller und Abfüller ihrer Verantwortung nicht bewusst sind. Ebenso oft bleibt ungeklärt, ob eine Verpackung auch im Sinne der Gesetzgeber wirklich kindergesichert ist und welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind.

Kindergesichert im einfachen Sinne bedeutet, dass es Kindern erschwert oder gar unmöglich gemacht wird an den Inhalt einer Verpackung zu kommen. Die Notwendigkeit dafür begründet sich in der immer noch hohen Anzahl von Unfällen, die jedes Jahr Kleinkinder im Umgang mit unverträglichen oder giftigen Stoffen erleiden. Dabei ist es heutzutage relativ einfach, unabhängig von der Art der Verpackung, Kindersicherheit zu gewährleisten. Der bekannte „Drück- und Dreh“ Verschluss bietet sich vor allem bei Flaschen oder Kanistern an. Der Erfolg in Punkto Sicherheit liegt dabei in der Ausführung von zwei unterschiedlichen motorischen Bewegungen, die zur Öffnung eines Verschlusses dieser Art notwendig sind. Kleinkinder sind meist nicht in der Lage diese Bewegungen gewollt auszuführen und bleiben sogar nach einer Demonstration des Öffnungsvorgangs fast immer erfolglos bei dem Versuch, die Verpackung selbst zu öffnen. Bietet sich für eine Verpackung kein Drehverschluss an, so können ähnliche oder andere „Tricks“ eingesetzt werden, die sich die unterschiedlichen Ausprägungen bei Kindern und Erwachsenen in kognitiven Fähigkeiten, Hebelwirkungen der Hände und Arme, motorische Fähigkeiten, Fingerfertigkeiten oder einfach der Kraft zunutze machen. Auf diese Weise wird der einen Gruppe der Zugang zum Inhalt der Verpackung gewährt und der anderen nicht. Die Kraft in den Fingern, die einem Erwachsenem im Vergleich zu einem Kleinkind mehr zur Verfügung steht, kann beispielweise bei einer speziellen Folie einer Blisterverpackung den entscheidenden Unterschied zwischen Öffnung und Nicht-Öffnung machen. So wäre hier mit der richtigen Wahl der Folie schon der erste Schritt in Richtung Kindersicherheit getan.

Verantwortung für die Sicherheit der Kinder

Von dem ersten Schritt in Richtung Kindersicherheit bis zu einer Verpackung, die sich als kindergesichert zertifiziert werden kann, ist der Weg jedoch noch etwas länger. Bei den unterschiedlichen Verpackungsformen gibt es viele unterschiedliche Ansatzpunkte, die Einfluss darauf haben, ob eine Verpackung wirklich kindersicher ist oder nicht. Voraussetzung für einen guten Trick-Verschluss mit dem „Drück-und Dreh“-Prinzip ist unter anderem, dass dieser sich nicht schnell abnutzt, das richtige Maß an notwendigem Druck und der richtige Druckansatzpunkt für die Finger gewählt wird. Bei Blisterverpackungen ist außer der Wahl der Form- und Deckfolie, sowohl Form und Größe der Kavitäten als auch Form und Größe der Tabletten ausschlaggebend. So sind bei jedem Verpackungstyp unterschiedliche Punkte im Hinblick ihrer Auswirkung auf die Kindersicherheit zu beachten. Gemäß der umfassenden Produktverantwortung hat ein Unternehmen für alle direkten Schäden, die ihr Produkt über den gesamten Lebenszyklus anrichten kann, die volle Verantwortung zu tragen. Daher sollte jedes Produkt eine kindergesicherte Verpackung erhalten, welches in irgendeiner Form gesundheitliche Schäden bei Kleinkindern durch die Einnahme oder allein schon den Kontakt hervorrufen könnte. Die Gesetzgebung sieht dies in einer ähnlichen Art und Weise. Viele chemische Produkte für Haushalt, Garten, Bau, Automobil, etc. und natürlich auch viele Arzneimittel müssen in Deutschland kindergesichert verpackt werden. So stammen in der Europäischen Union die gesetzlichen Verpflichtungen zum Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für gefährliche Stoffe in Zubereitung aus der Richtlinie 1999/45/EG sowie 1967/548/EWG. Im Bereich der Arzneimittel gibt es leider europaweit sehr unterschiedliche Regelungen, die kindergesicherte Verpackungen in bestimmten Fällen vorschreiben und in anderen nicht. So sind in Deutschland Arzneimittel mit Wirkstoffen, welche für Kinder gefährlich werden können entsprechend den Auflagen der obersten Bundebehörde (früher Bundesgesundheitsamt, jetzt Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) nach §28 Arzneimittelgesetz kindersicher zu verpacken, im Vergleich dazu in den Vereinigten Staaten sogar nahezu alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Die Verantwortung kindergesichert zu verpacken trägt zuerst einmal der Inverkehrbringer, also das Unternehmen, welches ein Produkt auf den Markt bringt. Dabei kann es sich um einen Abfüller oder ein Pharmaunternehmen handeln, grundsätzlich jedes Unternehmen, das ein potenziell schlecht verträgliches Produkt herstellt und in verpackter Form anbietet. Setzt ggf. dieses eine Verpackung ein, die von dem Hersteller als kindergesichert bezeichnet wird, aber die Kriterien der Normen für kindergesicherte Verpackungen nicht erfüllt und dementsprechend auch nicht zertifiziert wurde, so kann auch dieser im Schadensfall mit zur Verantwortung gezogen werden.

Richtige Prüfung von kindergesicherten Verpackungen

Will ein Unternehmen ein Produkt mit gefährlichem Inhalt verpacken, so wird es eine Verpackung verwenden wollen, bei der sichergestellt ist, dass diese auch wirklich kindersicher ist. Allein die Verwendung eines augenscheinlich intelligenten Verschlusssystem reicht dafür natürlich nicht aus. Die Verpackung muss gegengeprüft werden. Und zwar mit der Gruppe von Personen, die im Endeffekt durch den Sicherheitsmechanismus geschützt werden sollen, nämlich Kleinkindern. Wie diese Prüfung genau auszusehen haben, wie alt die Kinder sein dürfen, welche Altersklasse getestet werden, wie viel Zeit die Kinder dafür bekommen und wann eine Verpackung wirklich kindersicher ist, ist in Normen und Standards für kindergesicherte Verpackungen festgelegt. International sind dabei die folgenden drei am wichtigsten: ISO 8317 (2003) für wieder verschließbare, kindergesicherte Verpackungen, EN 862 (/2005) für nicht wieder verschließbare, kindergesicherte Verpackungen und EN 14375 (2003) für nicht wieder verschließbare Verpackungen für pharmazeutische Produkte. Diese Normen und Standards sind mit Ausnahmen der Vereinigten Staaten, die mit US 16CFR § 1700.20 eine eigene, leicht abweichende Regelung haben, weltweit weitgehend anerkannt. Somit ist im Gegensatz zu der Frage was kindergesichert verpackt werden muss, ein nahezu einheitliches Verständnis darüber vorhanden, was kindergesichert bedeutetet: Die Normen und Standards bestimmen nicht nur, wie sich eine Verpackung in Kinderhänden verhalten darf, sondern schreiben auch Tests der Verpackung mit Erwachsenen, insbesondere mit Senioren, vor. Die Gründe dafür sind leicht verständlich. Eine Verpackung kann durch einen sehr schwergängigen Verschluss Kinder einfach davon abhalten an den Inhalt zu gelangen. Sind jedoch Erwachsene kaum dazu in der Lage diese Verpackung zu öffnen und werden die Verpackungen nicht wieder richtig verschlossen oder der Inhalt gar umgefüllt, so wird von der Verpackung auch keine wirkliche Kindersicherheit geboten. Auch ist ein guter Verschluss auch keine vollständige Garantie für Kindersicherheit. So kann beispielsweise ein Verschluss auf einer großen Flasche für Kinder nicht zu öffnen sein, während der gleiche Verschluss auf einer kleinen Flasche von jedem zweiten Kind geöffnet werden kann. Dies kann vorkommen, wenn die Kinder in der Lage sind die kleinen Flaschen sicherer zu halten, damit mehr Kraft auf den Verschluss ausüben und diesen einfach überdrehen. Die bereits erwähnte große Anzahl von Faktoren, die Einfluss auf den Erfolg eines Kindersicherheitsmechanismus haben, führt dazu, dass jede eigenständige Verpackung, im Zweifelsfall also jede Kombination von Behältern und Verschluss, geprüft und zertifiziert werden muss. Kindergesichert im Sinne des Gesetzgebers bedeutet, dass die Verpackung nah den Vorgaben der jeweiligen Norm geprüft und dies von einer staatlich anerkannten Stelle zertifiziert wurde. Nur ein gültiges Zertifikat bietet im Falle eines Rechtsstreites die Sicherheit, die ein Unternehmen braucht, um den Punkt Kindersicherheit zu berücksichtigen. Kommt es nach einem Unfall zu einer Klage, bietet das nicht nur Schutz vor hohen Schadensersatzzahlungen, sondern verhindert auch einen erheblichen Imageverlust.

Rechtsicherheit muss im eigenen Interesse gegeben sein

Nachweisbar sicherstellen, dass eine Verpackung kindergesichert ist, heißt in diesem Fall eben die Durchführung der Prüfung entsprechend der Normen und die zertifizierte Bestätigung durch eine staatlich anerkannte Stelle. Die Konformität von kindergesicherten Verpackungen mit einer Norm darf in Europa nur ein Institut bestätigen, das nach DIN EN 45011 akkreditiert ist. Im Gegensatz zu zertifizierten kindergesicherten Verpackungen, die mittels ähnlicher Verschlussmechanismen versuchen den Eindruck zu erwecken, dass sie die gleiche Sicherheit bieten. Letztendlich ist jedoch unklar, ob diese Verschlüsse überhaupt geprüft wurden, bzw. ob bei den Prüfungen die hohen Qualitätsstandards erfüllt wurden, welche die Normen für kindergesicherte Verpackungen vorschreiben. Solche weder geprüften noch zertifizierten Verpackungen dürfen nicht als kindergesicherte Verpackungen bezeichnet werden. Es ist schließlich nicht sichergestellt, dass behauptete Sicherheitsfunktion erfüllt wird. Entscheidet sich der Inverkehrbringer entgegen der Vorschriften für eine Verpackung dieser Art, so entfällt auch die Rechtssicherheit, die durch eine gültige zertifizierte Verpackung erreicht wird. Wird eine nicht kindergesicherte Verpackung wegen falscher oder missverständlicher Angaben seitens des Verpackungsherstellers eingesetzt, so begibt sich auch dieser in die Gefahr bei Schadensersatzforderungen zahlen zu müssen.

Fazit:

Aufgrund der hohen Anzahl von Unfällen und der Gefahr vieler Produkte in den Händen von Kindern ist mittlerweile eine kindergesicherte Verpackung nicht nur empfehlenswert, sondern verpflichtend vorgeschrieben. Ein komplexer Öffnungsmechanismus ist keine ausreichende Garantie für den Schutz vor dem Zugriff. Daher ist es erforderlich eine Verpackung zu verwenden, die auch im Sinne der Gesetzgeber kindergesichert ist. Dies setzt eine Prüfung und ein Zertifikat entsprechend der Normen für kindergesicherte Verpackungen durch ein Institut voraus, das staatlich anerkannt und entsprechend DIN EN 45011 akkreditiert ist.

www.ivm-childsafe.de